Die Politik will sich endlich um Hochbegabte kümmern

Berlin · Jeder Lehrer kennt sie: Schüler, die als Zappelphilipp oder Nervensäge auffallen und sich vor allem langweilen. Womöglich steckt dahinter aber nicht unbedingt eine schlechte Kinderstube, sondern die Unterforderung eines Hochbegabten.

Wie man die "kleinen Einsteins" entdecken, fordern und fördern kann, das interessiert nun zunehmend auch die Politik. Die 16 Kultusminister widmen dem zahlenmäßig nur schwer zu fassenden Kreis der leistungsstarken Schüler jetzt eine Strategie, die bereits existierende Länder-Konzepte zusammenführt.

Eine Förderung weniger begabter Schüler hatte sich die Kultusministerkonferenz (KMK) bereits im Jahr 2010 auf die Fahne geschrieben. Das Ergebnis der Pisa-Vergleichsstudie 2013 gab den Ressortchefs auch durchaus recht: Die Leistungsschwächeren hatten sich im Vergleich zu 2009 und 2003 hierzulande verbessert, der Anteil von "Risikoschülern" mit nur geringen Kenntnissen nahm ab. Dagegen stagnierte die Anzahl der Schüler in den oberen Kompetenzstufen.

Hier setzen die Bildungsminister nun an. Das Eine tun und das Andere nicht lassen, lautet das Motto von KMK-Präsidentin Brunhild Kurth (CDU ), die dem Verdacht einer heimlichen Elitebildung entgehen will. Die sächsische Kultusministerin tritt seit Anfang ihrer Amtsperiode im Januar für die Belange begabter Schüler ein und kann jetzt die einhellige Unterstützung ihrer Kollegen für das "Überflieger"-Konzept als Erfolg verbuchen. Zumal auch ein Sozialdemokrat wie Hamburgs Schulsenator Ties Rabe ihr zustimmt, dass eine besondere Förderung sehr guter wie auch sehr schwacher Schüler zwei Seiten einer Medaille sind. Beides sei "eng verwoben" und gewiss "kein Gegeneinander", betont der SPD-Mann.

Doch ein großer Wurf, eine bundesweite Vision für das Thema fehlte bisher. Das hat auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU ) registriert, die sich im föderalistischen System aus Schulfragen weitgehend heraushalten muss. Man müsse sich stärker auch um die leistungsstarken und besonders begabten Schüler kümmern, findet sie. Für die Förderstrategie der Länder biete sie gern "Unterstützung" an. Auf dieses vage gehaltene Angebot wollen die Länder schon in Kürze zurückkommen und in den nächsten Monaten das Gespräch mit Wanka suchen. Dabei soll es nicht nur um wissenschaftliche Begleitung durch den Bund gehen, sondern auch um Geld, sagt Kurth. Sie sei "wild entschlossen", in ihrer Amtszeit beim Bund etwas für die Begabtenförderung lockerzumachen. Die Sächsin sieht dafür auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Notwendigkeiten: "Deutschland hat keine Rohstoffe, wir haben nur Humankapital. Und wir sind Exportweltmeister. Damit das so bleibt, muss die deutsche Wirtschaft ihr Niveau halten. Dazu braucht es die Begabten."

Wie könnte eine gezieltere, bessere Förderung leistungsstarker Schüler nun konkret aussehen? Die KMK-Strategie betont vor allem eine verstärkte "Diagnostik" - damit der Lehrer hinter dem Zappelphilipp eben doch den Hochbegabten erkennen kann. Außerdem soll es mehr schulexterne Beratungsstellen sowie Extrakurse oder spezielle Camps geben. Frühere Einschulung und eine beschleunigte Schullaufbahn bis hin zum Überspringen von Klassen sollen ebenfalls zum Repertoire der Begabtenförderung gehören.

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