Die Pflicht der Europa-Parteien

Wenn jemand am Stammtisch „Ich sag nur Glühbirnenverbot“ deklamiert, wissen alle Bescheid. Ähnlich ist es beim Stichwort „Gurkenkrümmung“ und „Olivenölkännchen“.

Es ist nicht schwer, mit solchen Hinweisen auf Brüsseler Regulierungen gegen die EU Stimmung zu machen. Dem selbstverständlichen Wissen breiter Kreise der Bevölkerung über die Mängel der Europäischen Union entsprachen bisher aber keine politischen Parteien. Auf dem Stimmzettel stand stets nur ein proeuropäischer Einheitsbrei. Das wird bei der kommenden Europawahl mit der "Alternative für Deutschland" anders sein. Dass sie sich am Wochenende bei ihrem Parteitag in Aschaffenburg scharfer antieuropäischer Töne enthielt und mehr auf konservative Familienpolitik machte, ist dabei kein Widerspruch. Jeder weiß ohnehin, dass sie den Euro und die Rettungsschirme ablehnt.

Auf der anderen Seite lockt die Linkspartei mit ebenso scharfer Kritik. Wenn sie Europa in ihrem Wahlprogramm als "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht" bezeichnet, ist das zwar eine groteske Karikatur, spricht aber alle an, die die EU als Moloch empfinden, der für alles Mögliche da sein mag, aber nicht für die kleinen Leute.

Mit Ausnahme der CSU setzen die großen Volksparteien diesen tendenziell populistischen Losungen eine Strategie des "Augen zu und durch" entgegen. Mittlerweile ist ihr Hauptargument im Wahlkampf schon, dass man den Antieuropäern von rechts und links nicht das Feld überlassen dürfe, wie es gestern auch bei der SPD wieder intoniert wurde. Und mantrahaft wird die Friedenskraft Europas beschworen. Was ja richtig ist. Oder es wird, wie bei Angela Merkel, das ökonomische Axiom bemüht: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Und dann geht es auch der Exportnation Deutschland schlecht.

Auch diese Aussage ist zutiefst wahr. Doch das sind immer die Perspektiven von ganz oben, die die Wahrnehmung von unten übersehen.

Die bayerischen Christsozialen haben einmal mehr die bessere Witterung. Zwar nähern sie sich mit ihrem Anti-Zuwanderer-Wahlkampf bedenklich den Rechtspopulisten an. Ihr Slogan "Wer betrügt, der fliegt" wäre besser auf die eigenen Steuerhinterzieher wie CSU-Freund und Bayern-Manager Uli Hoeneß gemünzt. Aber mit ihren Aussagen gegen die Brüsseler Bürokratie und den übergroßen Wasserkopf an Kommissaren trifft die CSU einen Nerv. Sie scheint begriffen zu haben: Die antieuropäischen Parteien am Rande werden gewinnen, wenn die proeuropäischen Parteien der Mitte nicht glaubhaft machen, dass sie Europa wirklich besser machen wollen. Sozialer, demokratischer und bürgernäher. Das ist die Aufgabe.

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