Die Pest des Nationalismus

Für junge Europäer, die trotz unterschiedlicher Kulturen und Sprachen in der Vergangenheit gelernt haben, ganz selbstverständlich miteinander zu leben, sind die Ereignisse um die Krim wie aus einem anderen Jahrhundert. Die Pest des Nationalismus erhebt sich wieder, wie schon vor zwanzig Jahren bei den unseligen Balkankriegen.

Sie scheint auch im Zeitalter des Internets und des globalen Handels unausrottbar. Menschen prügeln aufeinander ein, Fahnen werden bejubelt oder verbrannt, als liege in ihnen eine Heilserwartung oder ein Dämon.

Bei kulturell und sprachlich so ähnlichen Nachbarn wie Russland und der Ukraine ist das besonders absurd. Der Nationalismus ist dabei auch für Putin bloß ein Instrument zur Absicherung der inneren Macht. Damit lassen sich immer noch Massen mobilisieren. Gelegentlich wendet Putin das ja auch gegen die "Kaukasier" an. Dabei nützt die Unfähigkeit der Völker, friedlich neben- und miteinander zu leben, immer nur der Despotie und der Korruption. Nie den kleinen Leuten. Und zwar ganz egal, wo diese Karte ausgespielt wird.

Aber diese Lektion ist weltweit immer noch nicht gelernt. Die Nationalisten auf ukrainischer Seite waren ja nicht viel besser, als sie nach ihrem Sieg auf dem Maidan als Erstes beschlossen, das Russische als zweite Amtssprache in jenen Regionen wieder abzuschaffen, in denen viele Russen leben. Die Überwindung der Autokratie Janukowitschs ist schon schwierig genug, zumal die vielen Toten als tiefe Wunden der Revolution geblieben sind. Aber der offenbar auf allen Seiten mangelnde Wille zum Ausgleich in einer multikulturellen Gesellschaft macht den Konflikt fast unlösbar.

Durch Putins brutale militärische Machtdemonstration droht daraus nun ein kriegerischer Konflikt um die Krim zu werden. Das darf um keinen Preis geschehen. Man wird Russland hohe wirtschaftliche und politische Preise für sein Vorgehen bezahlen lassen (auch Gerhard Schröder sollte einen Preis bezahlen und sein Einkommen künftig nicht mehr in Rubel beziehen) - aber keine Menschenopfer.

Am wichtigsten ist es jetzt, den Konflikt um die Krim politisch einzudämmen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Ukraine selbst stabilisiert wird und sich Europa zuwenden kann. Wenn das gelingt, wird dort der Wohlstand der Bevölkerung bald so wachsen, dass die russischen Bewohner der Krim sich noch nach einer ukrainischen Staatsbürgerschaft sehnen werden. Die Zeit spielt ohnehin gegen diesen tumben Nationalismus Putinscher Prägung. Er ist nämlich von vorgestern. Im Übrigen: In Moskau gaben es auch schon Massendemonstrationen. Für ein besseres Leben, gegen Putin.

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