Die neuen Präsidenten zeigen ihre Muskeln

Moskau. Mehrere Tage lang herrschte Funkstille zwischen Moskau und Washington. Kein gutes Zeichen angesichts der zahlreichen Konflikte, die sich zwischen Moskau und Washington angestaut haben: Der Raketen-Abwehrschirm in Polen und Tschechien oder die geplante Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens in der Nato stehen dafür beispielhaft

Moskau. Mehrere Tage lang herrschte Funkstille zwischen Moskau und Washington. Kein gutes Zeichen angesichts der zahlreichen Konflikte, die sich zwischen Moskau und Washington angestaut haben: Der Raketen-Abwehrschirm in Polen und Tschechien oder die geplante Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens in der Nato stehen dafür beispielhaft. Schon am vorigen Donnerstag hatte der US-Wahlsieger Barack Obama die Bundeskanzlerin angerufen und sich für ihre Glückwünsche bedankt. Doch erst am Samstag kam es zum Telefongespräch zwischen Obama und Russlands Präsident Dmitri Medwedew. Der Amerikaner war offenbar verstimmt wegen Medwedews Raketendrohung. Im Rahmen einer Jahresbotschaft vor beiden Parlaments-Kammern hatte der russische Präsident am Tag nach der US-Wahl die Aufstellung von Kurzstrecken-Raketen in der Region Kaliningrad angekündigt. Obama hatte zum geplanten Raketen-Schirm in Polen und Tschechien Skepsis geäußert. Mehr aber auch nicht. Da wollte man in Russland offenbar Genaueres wissen - und das möglichst schnell. Mit seiner Raketen-Drohung machte Medwedew den ersten Zug. Obama muss nun reagieren. Das ist aus Moskauer Sicht besser als umgekehrt. Es ist eine Machtprobe. Parallelen zum Kalten Krieg sind unübersehbar. Offenbar wandelt Obama in der Frage des Raketen-Abwehrschirms noch auf dem Pfad von George W. Bush. Am Samstag wurde bekannt, dass sich der designierte Präsident vom Abwehr-Raketenschirm in Polen nicht verabschieden will. Dies erklärte Obama in einem Telefon-Gespräch mit dem Präsidenten Polens, Lech Kaczynski.Aus heiterem Himmel kam Medwedews Raketen-Drohung nicht. Denn Moskau hatte jahrelang vor dem Raketen-Schirm und einer Ausdehnung der Nato Richtung Osten gewarnt. In Europa nahm man dies zwar zur Kenntnis. Doch das war aus Moskauer Sicht zu wenig. Immerhin: Medwedew hat die Tür nicht zugeschlagen. Man habe "kein Problem mit dem amerikanischen Volk, wir haben keinen angeborenen Anti-Amerikanismus", erklärte der Präsident. Russland sieht sich als Weltmacht und beansprucht Einflusszonen entlang seiner Grenzen. Washington müsse, so Kreml-Berater Sergej Markow, von der "verrückten Idee" abrücken, den Einfluss Moskaus auf das russische Territorium zu beschränken. Russland wolle um sich herum "befreundete" und keine "feindlichen" Länder. Vielleicht liegt ein tieferer Grund von Medwedews Raketen-Drohung auch in der Furcht vor den US-Demokraten; viele Kreml-nahe Politologen halten sie für weniger berechenbar als die Republikaner. Obama könnte den Kreml mit seinem soften Politikstil in unangenehme Situationen bringen. Solch ein Szenario schwant etwa dem Kommentator der Nachrichtenagentur Ria Nowosti, Dmitri Kosyrew. Wenn Obama Russland auffordere, die Anerkennung von Abchasien und Südossetien zurückzunehmen, dann werde ganz Europa nach Moskau schauen. Dort aber sei man nicht bereit, "Europas Liebling" Zugeständnisse zu machen. Ein persönliches Gespräch zwischen Obama und Medwedew wird Aufklärung darüber bringen, wie es nun weitergehen soll. Am 15. November, am Rande des Weltfinanzgipfels, treffen sich die beiden in Washington. Man darf gespannt, wie der der künftige Präsident der USA auf den verbalen Raketen-Knüppel aus Moskau reagieren wird.

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Zahlreiche Blätter im In- und Ausland beleuchten am Wochenende erneut die Auswirkungen des Wahlsiegs von Barack Obama. So schreibt die Budapester Zeitung "Nepszava": Obamas Botschaft ist wirtschaftliche Regulierung und politische Offenheit. Eine Art Großm