Die Menschenrechte sind die Verlierer von Olympia

Peking. Vor den Olympischen Spielen war die Hoffnung groß: Das Gastgeberland China versprach Verbesserungen bei den Menschenrechten und mehr Freiheiten für ausländische Medien. Doch wenige Tage vor dem Ende der Wettkämpfe in Peking sieht es aus, als seien dies nur leere Worte gewesen

Peking. Vor den Olympischen Spielen war die Hoffnung groß: Das Gastgeberland China versprach Verbesserungen bei den Menschenrechten und mehr Freiheiten für ausländische Medien. Doch wenige Tage vor dem Ende der Wettkämpfe in Peking sieht es aus, als seien dies nur leere Worte gewesen. Vor den Spielen festgenommene Regierungskritiker bleiben verschwunden, Dissidenten verließen aus Angst vor Schikane die Stadt, und wer protestieren wollte, fand sich mitunter stundenlangen Verhören ausgesetzt. Menschenrechtsexperten sind sich einig: Von einem positiven "olympischen Effekt" auf die Behandlung von Andersdenkenden oder Minderheiten in China kann keine Rede sein. Idealistische Vorstellungen hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC), als es 2001 die Spiele an Peking vergab: Unter den aufmerksamen Blicken der Weltgemeinschaft werde die chinesische Regierung gezwungen sein, den Druck auf Regimekritiker zu lockern. Selbst während der Wettkämpfe hofften die Nichtregierungsorganisationen noch, dass Peking schon wegen der zahlreichen Journalisten und Touristen der Meinungs- und Religionsfreiheit mehr Raum geben müsse. Doch nichts geschah: Für die von den Spielen berichtenden Journalisten blieb das Internet die ganze Zeit teilweise gesperrt, immer wieder wurden Unterstützer Tibets festgenommen. Auch die Einrichtung offizieller Protestzonen in Parks nutzten die Behörden eher zur Verstärkung der Kontrollen. Die Pekingerin Zhang Wei landete nach Angaben ihres Sohnes für 30 Tage im Gefängnis, weil sie in einer Demonstration Entschädigung für ihr zerstörtes Haus fordern wollte. Zwei ältere Chinesinnen wurden nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation zur Umerziehung verurteilt, nachdem sie mehrfach um Erlaubnis zum Protest gebeten hatten.Die Menschenrechte als Verlierer der Olympischen Spiele? Die Bemühungen um eine Verbesserung der Lage in China wurden durch Olympia zurückgeworfen, das glaubt Nicholas Bequelin, China-Beauftragter von Human Rights Watch. Schon in der Phase vor den Spielen habe Peking alles daran gesetzt, Kritiker mundtot zu machen. "Man wollte verhindern, dass diese Stimmen ein Echo in internationalen Medien finden", sagt Bequelin. Von dem hohen Druck auf Dissidenten kann auch Li Fangping berichten. Er ist der Anwalt des kritischen Bloggers Hu Jia, der wegen angeblichen Umsturzversuchs zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Hus Frau Zeng Jinyan verschwand einen Tag vor der Olympia-Eröffnungsfeier. "Es ist klar, dass das mit den Spielen zusammenhing", sagt Li. Bislang konnte er keinen Kontakt zu Zeng aufnehmen. Auch der Anwalt selbst verließ vor den Spielen Peking, weil der Druck zu groß wurde. Polizeibeamte seien vor Olympia zu Regimekritikern gekommen und hätten sie vor Einschnitten in ihre Bewegungsfreiheit gewarnt. Angesichts solcher Berichte musste auch das IOC einräumen, dass China einige Versprechen schuldig geblieben sei. Die Protestzonen in den Parks "funktionierten nicht richtig", gab IOC-Sprecherin Giselle Davies zu. "Was öffentlich angekündigt wurde, scheint in der Realität nicht zu passieren. Da bleiben noch einige Fragen offen." Insgesamt jedoch üben sich die Olympia-Organisatoren bis zum Ende in Zweckoptimismus. Das IOC sei mit der Abwicklung der Pekinger Spiele im Großen und Ganzen zufrieden, erklärte Davies vor kritischen Journalisten.

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