Die Linke haut in Karlsruhe auf den Putz

Karlsruhe · Das Thema hatte in den Anfangstagen der großen Koalition für heftige Kontroversen gesorgt: Weil Linke und Grüne seit der letzten Wahl weniger als ein Viertel der Abgeordneten im Bundestag stellen, sind die beiden Oppositionsfraktionen nicht einmal stark genug, um nach den im Grundgesetz verankerten Regeln beispielsweise einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Die Streitfrage, ob sie dennoch ausreichend Kontroll- und Oppositionsrechte haben, muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die mündliche Verhandlung findet heute statt.

Für die Dauer der Wahlperiode hatten Union und SPD im April 2014 die Geschäftsordnung des Bundestags um verschiedene Minderheitenrechte erweitert. Die formale Schwäche der Opposition, die aktuell nur 127 der 630 Abgeordneten umfasst, sollte damit ein Stück weit ausgeglichen werden. Die Grünen trugen diesen Kompromiss mit, die Linke dagegen blieb hart. Sie reklamiert, dass kein Ersatz geschaffen wurde für die sogenannte ab strakte Normenkontrolle.

Mit diesem Instrument können bestimmte politische Akteure Gesetze und andere Rechtsnormen vom Bundesverfassungsgericht auf Übereinstimmung mit dem Grundgesetz überprüfen lassen. Antragsberechtigt ist nur ein enger Kreis. Neben der Bundesregierung und den Regierungen der Länder sind das die Abgeordneten des Bundestages - allerdings unter der Voraussetzung, dass sich mindestens ein Viertel der Parlamentarier hinter einen solchen Antrag stellt. Kommen die Karlsruher Richter zu dem Schluss, dass die Klage begründet ist, erklären sie die entsprechende Rechtsnorm für nichtig oder unvereinbar mit dem Grundgesetz .

Nicht nur das umstrittene Betreuungsgeld für Eltern, die für ihre Kleinkinder weder einen Kita-Platz noch eine geförderte Tagesmutter in Anspruch nehmen, wurde auf diesem Wege zu Fall gebracht. Auch die Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch und zur Parteifinanzierung kippten in der Vergangenheit wegen einer Normenkontrollklage. "Dieses Instrument ist uns aus den Händen genommen worden", kritisiert der Jurist und langjährige Chef der Linksfraktion, Gregor Gysi , mit Blick auf die Dominanz der Regierungsfraktionen. Dabei könne man beispielsweise das Gewerkschaftsgesetz der großen Koalition oder die Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn durchaus hinterfragen, meint er.

Seine Fraktion strengte ein Organstreitverfahren gegen den Deutschen Bundestag an. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Demokratie-Prinzip und die Grundsätze des parlamentarischen Regierungssystems. Die Frage der Oppositionsrechte sei auch über die Wahl 2017 hinaus von Bedeutung, erklärt Gysi, der heute zur Verhandlung nach Karlsruhe reisen will. Es könne ohne weiteres sein, dass in der nächsten Legislaturperiode wieder eine große Koalition regiere, dann stehe man vor ähnlichen Fragen. Die Linke fordert deshalb eine dauerhafte Änderung des Grundgesetzes.

Das Urteil wird frühestens in einigen Wochen erwartet, es können auch Monate vergehen. Gysi geht dennoch davon aus, dass die Entscheidung noch die laufende Wahlperiode beeinflussen könnte. "Wenn der Bundestag will, kann er sehr schnell sein", sagt er. "Und weil es dann um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht, die umzusetzen ist, könnten wir in zwei, drei Wochen die Regelung haben."

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