Die Kleinen entscheiden, wer in Stuttgart regiert

Stuttgart · Noch wenige Monate, dann werden sich die Blicke der deutschen Politik mehr und mehr auf Baden-Württemberg richten. Im März will die CDU die Stuttgarter Staatskanzlei zurück, auf die sie Jahrzehnte lang ein Abonnement hatte.

Doch die Parteienlandschaft in Baden-Württemberg ist im Umbruch. Grün-Rot hier, CDU und FDP dort? Ob es zu diesem stark polarisierenden Lagerwahlkampf kommen wird, zu einem Duell zwischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann von den Grünen und CDU-Herausforderer Guido Wolf, hängt von vielen Faktoren ab. Nicht nur, dass der Wähler im Vergleich zur Landtagswahl 2011 mehr Parteien im Angebot hat. Auch sind die Themen nicht ganz absehbar.

Seit die Flüchtlingsthematik prominent auf der politischen Agenda steht, hat sich der Ton in der Auseinandersetzung bereits etwas verschärft. Vor allem tauchen wieder Wortmeldungen von ganz rechts auf. Die in Vergessenheit geratenen Republikaner wittern ebenso Morgenluft wie die Deutsche Liga oder die NPD . Auch die AfD wird man kaum abtun können. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die Rechtspopulisten, von liberalen Eurokritikern befreit, noch stärker am ultrarechten Rand fischen werden. Die Parteien rechts der CDU stoßen im Südwesten auf ein stabiles Wählerpotenzial von zusammen gut zehn Prozent. 1992 verlor die regierende CDU nach einem Asylwahlkampf die absolute Mehrheit und die rechtsextremen Republikaner wurden von fast 540 000 Wählerinnen und Wählern in den Landtag gespült. Erst zwei Legislaturperioden später flogen die "Reps" wieder raus. Und heute? Politologen, Parteienforscher, auch die Parteien selbst waren lange der Ansicht, dass alle klug aus der Erfahrung von 1992 geworden sind, als auch der damalige SPD-Spitzenkandidat Dieter Spöri auf das Zuwanderungsthema einstieg und eine Begrenzung des Zuzugs von Aussiedlern forderte. Eingezahlt hat dies ausschließlich auf das Konto der Rechtsextremisten .

Heute scheint die SPD im Verbund mit den Grünen gefeit vor allzu scharfer Rhetorik. CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf erntete aber schon ein zweifelhaftes Lob der Republikaner, Wahlkampf mit der Asylproblematik zu machen. Für die CDU ist es nicht leicht, bei innerer Sicherheit und Zuwanderung Profil zu zeigen, ohne den Extremisten Futter zu bieten.

Die Unübersichtlichkeit im Parteiensystem Baden-Württemberg hat zugenommen. Auch auf der anderen Seite des Spektrums. Die Grünen mit ihrer Galionsfigur Kretschmann werden sich zwar weiter in der bürgerlichen Mitte bewegen und versuchen, ihre Regierungsfähigkeit herauszustellen. Die SPD ebenso. Die Linke aber hat mit ihrem vergleichsweise prominenten Spitzenkandidaten Bernd Riexinger mehr Möglichkeiten als noch vor fünf Jahren. Die Partei - in der Griechenlandpolitik sowie in ihrer Haltung zum umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ein Unikat - liegt in Umfragen bei vier Prozent und ist damit ebenso ins Kalkül zu ziehen wie die Freien Wähler, die erstmals bei einer Landtagswahl antreten. Die FDP will unbedingt wieder über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, um vom Stammland aus dem Bundestrend weiter Schwung zu geben. Kommen sie alle in den Landtag, kann sich Guido Wolf den Koalitionspartner aussuchen. Schafft es keiner der Kleinen, wird Kretschmann Regierungschef bleiben. Es war in Baden-Württemberg nie schwerer, Prognosen abzugeben.

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