Die Kirche lebt

Meinung · Wenn an diesem Wochenende die katholische Kirche mit der Auferstehung Christi das Osterfest und damit ihren höchsten Feiertag begeht, tut sie es als eine Gemeinschaft in Not. Die Missbrauchskandale, die seit Monaten die Schlagzeilen beherrschen, das Schweigen und Vertuschen, hat vor allem viele Katholiken in eine tiefe Verunsicherung gestürzt

Wenn an diesem Wochenende die katholische Kirche mit der Auferstehung Christi das Osterfest und damit ihren höchsten Feiertag begeht, tut sie es als eine Gemeinschaft in Not. Die Missbrauchskandale, die seit Monaten die Schlagzeilen beherrschen, das Schweigen und Vertuschen, hat vor allem viele Katholiken in eine tiefe Verunsicherung gestürzt. Hat sich die Kirche zu einem Sammelbecken von Pädophilen entwickelt, die ihrem schändlichen Treiben unter dem Deckmantel von Angst, falsch verstandener Autorität, Resignation und Wegschauen ungestraft nachgehen konnten? Inzwischen hat die Kirche das Büßergewand angelegt, sich zu den Verfehlungen in ihrer Mitte bekannt. Sie will dieses Geschwür mit Stumpf und Stil ausrotten. Möge es ihr gelingen. Doch die katholische Kirche ist auch an anderen Stellen schwer angeschlagen. Das gilt vor allem für das so genannte christliche Abendland. In einer säkularisierten Welt sehen viele in ihr nur noch eine Folklore-Truppe, die für Taufe, Kommunion und Hochzeit den würdevollen Rahmen bildet - mit Gewändern, Orgelmusik, Weihrauch und Worten, die zu Herzen gehen. Mit den feinen Kleidern wird auch das Kirchenleben wieder im Schrank verstaut. Außerdem ist der christliche Glaube weltweit auf dem Rückzug. Die katholische Kirche war das erste globale Unternehmen der Geschichte. Die Botschaft des heiligen Rom breitete sich im Windschatten der Kolonialisierung bis in die entlegensten Winkel dieser Erde aus. Mit dem weltweit wachsenden Misstrauen gegen die westliche Wertegemeinschaft - zurzeit noch befeuert durch die Wirtschafts- und Finanzkrise - schwindet auch die Autorität des römischen Pontifex. Stattdessen breitet sich der Islam aus, der gegenüber Andersgläubigen nur mit geringer Toleranz ausgestattet ist. Der christliche Glaube wird in vielen Ländern verunglimpft und diskriminiert, seine Anhänger werden verfolgt.Dennoch: Die Kirche lebt. Gerade das Osterfest zeigt uns, dass sie weit mehr ist als eine Wellness-Farm für die Seele. Der grausame Kreuzestod Jesu und seine Auferstehung erfassen alle Seiten der menschlichen Existenz: die Todesangst, das Leiden, den Verrat des Judas, die Verleugnung des Petrus, das Zweifeln des ungläubigen Thomas - aber auch die Hoffnung auf ein Morgen und eine bessere Welt. Jesus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, ist für unsere Schmerzen gestorben. Dieser Gedanke hat etwas ungeheuer Tröstliches. Trotz des Ego-Trips, in dem sich die Welt befindet, ist man nicht allein. Aus diesen Gedanken hat auch die Kirche in allen ihren Krisen immer wieder Trost und Hoffnung geschöpft.

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