Die Hütte, ein Saar-Märchen

Der Unesco-Weltkulturerbe-Titel hat einen besonderen Klang. Man hört Geldmünzen klingeln, denn Kulturtourismus ist ein einträgliches Geschäft. Zwar gibt es keine Studie zum gesamten ökonomischen Ertrag des Völklinger Weltkulturerbes seit seiner Aufnahme vor 20 Jahren in die Unesco-Liste.

Doch für dessen bis dato besucherreichste Ausstellung, "Die Kelten" hat der Chef des Weltkulturerbes, Meinrad Maria Grewenig , Bilanz gezogen: 16,5 Millionen Euro Kaufkraftzuwachs seien durch 130 000 Übernachtungen und 124 000 Tagesbesucher generiert worden. Das Weltkulturerbe ist übrigens die einzige Kulturinstitution im Land, die sich selbst an Profit-Kriterien dieser Art misst. Über drei Millionen Menschen haben sie seit Anfang der 90er Jahre besucht. Man darf behaupten, dass der Unesco-Titel die Initialzündung für diese hierzulande beispiellose Erfolgsentwicklung ist. Ein Saar-Märchen, gemessen an den Abriss-Szenarien.

Die Welterbe-Verleihung, die die Vollständigkeit des Ensembles zur Voraussetzung hatte, zwang die damalige SPD-Regierung erstmals dazu, wirklich "groß" zu denken, sich in den internationalen Maßstab zu setzen. Plötzlich selbstbewusst erschloss man sich Bundes- und EU-Fördermittel und engagierte 1999 einen der erfolgreichsten Museumsdirektoren Deutschlands, Meinrad Maria Grewenig - für ein heute noch umstrittenes Top-Gehalt. Und Grewenig reihte sich nicht ein in den Armeschlucker-Jammer-Chor, sondern ließ es krachen. Größer, kostbarer, sensationeller lautet bis heute das Werbe-Motto für die Ausstellungen, die eine angreifbare Mischung aus Ferrari und Inka-Schätzen, Asterix und "Europas Glanz im 19. Jahrhundert" bieten. Doch sie gewinnen den Aufmerksamkeitswettbewerb. Wie ein Uhrwerk läuft im Hintergrund die Sanierung und Erschließung des großartigen Denkmals - wahrlich, es hat den Titel "Kathedrale der Arbeit" verdient. Alles eine Spur zu dick für das "arme" Saarland? Im Gegenteil: Das Weltkulturerbe taugt als Lehrstück, dass Massenmobilisierung Sympathie für ein schwieriges Erbe erzeugen kann. Die Hütte, die die Bürger als ein Symbol des Niedergangs sahen, ist zu einem identitätsstiftenden Wahrzeichen geworden. Vom "Millionengrab" spricht keiner mehr.

Aber obwohl dies alles so ist, verfahren wir derzeit mit dem Bergbau-Erbe diametral anders: zögerlich, zimperlich, kleinmütig. Vor diesem Hintergrund lässt es sich als Fehler werten, die Idee des damaligen Wirtschaftsministers Heiko Maas (SPD ) ad acta gelegt zu haben, der Grewenig zum "Superintendanten" für die gesamte Industriekultur im Land machen wollte. Dass diese mehr Wert ist als Wirtschaftszahlen erzählen, hat das Weltkulturerbe vorgemacht.

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