Die Großregion als Wolkenkuckucksheim

Saarbrücken. Für den kritischen Beobachter wird es immer schwieriger, die grenzüberschreitende politische Arbeit in der Großregion mit Wohlwollen zu betrachten. Die Ergebnisse des 13. Saar-Lor-Lux-Gipfels, der gestern im französischen Pont-à-Mousson stattfand, ändern wenig an dieser Ernüchterung

Saarbrücken. Für den kritischen Beobachter wird es immer schwieriger, die grenzüberschreitende politische Arbeit in der Großregion mit Wohlwollen zu betrachten. Die Ergebnisse des 13. Saar-Lor-Lux-Gipfels, der gestern im französischen Pont-à-Mousson stattfand, ändern wenig an dieser Ernüchterung. So kündigte Malu Dreyer (SPD), neue Regierungschefin in Mainz und für die nächsten zwei Jahre auch Präsidentin von Saar-Lor-Lux, unter anderem ein gemeinsames Vorgehen gegen die Probleme auf dem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt an. So ein Satz klingt immer gut. Doch er wird, meist in kaum abgewandelter Form, bei diesen Gipfeltreffen zu oft strapaziert.Fakt ist: Es kann in der Großregion keine homogene Arbeitsmarktpolitik geben, wenn man berücksichtigt, dass die Löhne lothringischer Arbeitnehmer seit 15 Jahren gegenüber den vergleichbaren Einkünften aus unselbstständiger Arbeit im Saarland nahezu explodiert sind - die Zuwächse liegen zum Teil über 20 Prozent. Ferner muss man wissen, dass gerade die Teilregion mit den höchsten Löhnen, das Großherzogtum Luxemburg, ihren Arbeitsmarkt schon lange nicht mehr mit heimischen Arbeitskräften decken kann. Rund 150 000 Menschen, die täglich aus Deutschland, Frankreich und Belgien nach Luxemburg einpendeln, gehen nicht auf eine offensive Arbeitsmarktpolitik zurück. Der Pendlerstrom ist vor allem das Ergebnis niedriger Steuern auf Umsätze und Finanzdienstleistungen im Großherzogtum.

Vor diesem Hintergrund trifft zwar die Feststellung des Gipfels zu: "Prekäre Beschäftigungsformen sowie die Ausweitung des Niedriglohnsektors nehmen weiter zu. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn als Schutz vor Sozialdumping existiert nicht in allen Teilregionen." Doch wie sollen Rheinland-Pfalz und das Saarland, die beiden angesprochenen Teilregionen, einen solchen Mindestlohn einführen, wenn er in Berlin nicht durchgesetzt werden kann?

Sicher, die Politiker wollen bei den regionalen Gipfeltreffen, die vor 20 Jahren erfunden wurden, auch ihren guten Willen unter Beweis stellen. Aber wenn es um konkrete Politik geht, muss man auf die Kompetenzen schauen, die in der Großregion unterschiedlich verteilt sind. Das einzige Land, das souveräne Beschlüsse für Arbeitsmarkt oder Besteuerung, für Verkehrspolitik oder Raumplanung treffen kann, ist das Großherzogtum. Die Bundesländer Saarland und Rheinland-Pfalz müssen da erheblich zurückstehen, weil sie auf keinem dieser Felder autonom sind. In Bereichen wie Kultur oder innere Sicherheit wiederum haben sie immer noch einen Vorsprung gegenüber den französischen und belgischen Regionen.

Man wünschte sich deshalb, dass sich die Gipfel-Vereinbarungen auf realistische Ziele beschränken, die alle umsetzen können - und die vor allem den Menschen in der Region nützen. Dazu gehört zum Beispiel die Einführung von Ombudsleuten, Task Force genannt, die den Grenzgängern bei Problemen mit dem Arbeits- und Sozialrecht oder bei der Besteuerung helfen sollen. Dazu gehört auch mehr Französisch-Unterricht im Saarland, für den sich Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) stark macht. Oder die vor zwei Jahren in Völklingen formulierte Absicht, "die Großregion zu den Menschen zu bringen". Davon allerdings ist bislang nur wenig zu sehen.

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