Die Grenzen der Wissenschaft

Meinung · Wenn der Mensch Gott spielt, ist der Teufel nicht weit. Das ist die Sorge von Angela Merkel, wenn sie sagt, die Grenze zwischen einer schweren genetischen Erkrankung und einer nicht ganz so schweren sei fließend. Und diese Grenze werde bei der Präimplantationsdiagnostik (PID), sei sie erst einmal erlaubt, immer weiter ausgedehnt werden. Bis hin zum Designer-Baby

Wenn der Mensch Gott spielt, ist der Teufel nicht weit. Das ist die Sorge von Angela Merkel, wenn sie sagt, die Grenze zwischen einer schweren genetischen Erkrankung und einer nicht ganz so schweren sei fließend. Und diese Grenze werde bei der Präimplantationsdiagnostik (PID), sei sie erst einmal erlaubt, immer weiter ausgedehnt werden. Bis hin zum Designer-Baby. Also will die Kanzlerin wie ein Großteil der CDU das Totalverbot von PID. Der im Reagenzglas gezeugte Embryo soll vor seiner Einpflanzung nicht untersucht werden dürfen, nicht auf Erbkrankheiten und auch sonst nicht. Aber der Mensch ist nicht menschlich, wenn er seine Möglichkeiten nicht nutzt, um Elend zu verhindern. Es darf keinen Implantationszwang einer befruchteten Eizelle geben, von der man weiß oder annehmen kann, dass aus ihr ein schwer behindertes Kind hervorgehen wird. Das ist das Gegenargument, und es ist genauso christlich: Es ist das von Gott gegebene Wissen, das uns heute hilft, bisher unheilbare Krankheiten zu heilen. Macht euch die Erde untertan. Das tut der Mensch seit mehreren hundert Jahren sehr gründlich. Nichts an der Natur ist frei von seinem Einfluss, nicht die Arten, nicht einmal die Temperatur der Ozeane. Und seine eigene Reproduktion schon gar nicht. Das fängt mit der Antibabypille an und hört mit der Abtreibung noch lange nicht auf. Es ist eine große Schwäche in der Argumentation der PID-Gegner, dass sie die Zellen in der Petrischale schützen, den Fötus im Mutterleib aber nicht. Denn nach der Einpflanzung darf per pränataler Diagnostik wie bisher untersucht werden, ob ein genetischer Schaden vorliegt - und, falls ja, ein Abort eingeleitet werden. Sogar noch nach der 23. Schwangerschaftswoche. Es gibt keine einfachen Antworten auf die tausend ethischen Fragen, die sich stellen, seit der Mensch dem Leben ins Handwerk pfuscht. Also gibt es auch keine parteipolitische Linie. Es irritiert, mit welcher Leichtigkeit die Liberalen für die Zulassung von PID sprechen, seit der Bundesgerichtshof das bisher geltende Verbot aufgehoben hat. Dabei muss es doch darum gehen, menschliches Einwirken auf die Entstehung des Lebens so beschränkt wie möglich zu halten. Ebenso unverständlich ist es allerdings, wenn Teile der Union die erbarmungslose Ablehnung zum Kernmerkmal ihrer Identität machen wollen. Dass alle Seiten für ihre Argumente werben, dass sie um einen Kompromiss ringen, das darf man in dieser Debatte erwarten. Nicht aber Vorgaben nach Parteilinien. Eine Abstimmung über PID im Bundestag gehört frei gegeben. Sie ist eine Entscheidung des Gewissens.

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