Die graue Garde

Meinung · Das Votum des kleinen Parteitages für eine Mitgliederbefragung über das grüne Spitzenduo wird den Lauf der Welt gewiss nicht verändern. Nur aus innerparteilicher Sicht ist der Beschluss zur Findung zweier Topleute für die nächste Bundestagswahl von Belang

Das Votum des kleinen Parteitages für eine Mitgliederbefragung über das grüne Spitzenduo wird den Lauf der Welt gewiss nicht verändern. Nur aus innerparteilicher Sicht ist der Beschluss zur Findung zweier Topleute für die nächste Bundestagswahl von Belang. Denn die wahren und vermeintlichen Alpha-Tiere in der Partei vermochten sich partout nicht zu einigen, wer von ihnen im Wahlkampf die erste Geige spielen soll. Das hat die Grünen über Monate gelähmt. Nun wird die Sache entschieden.Dabei fällt es schwer, grundlegende politische Differenzen zwischen den einzelnen Aspiraten zu erkennen. Programmatisches Neuland, ein Richtungswechsel gar, verbindet sich mit keinem der Bewerber. Spöttisch könnte man behaupten, die einen halten für 2013 wieder tapfer die rot-grüne Fahne hoch, während andere wortreich begründen, warum eine Regierungsbildung mit der Union praktisch ausscheidet. Kein Wunder: Die Streithähne, die nun ins Kandidaten-Rennen gehen, gehören ja auch fast ausnahmslos zum Uralt-Inventar der Partei. Roth, Künast, Göring-Eckardt und Trittin - das ist die inzwischen graue Garde der Grünen. Für eine Partei, die stets von dem Anspruch beseelt ist, frisch und unkonventionell zu wirken, eine erstaunliche Tatsache.

Bleibt die Frage, warum sich die Grünen so schwer damit tun, kompetenten Nachwuchs nach vorn zu schieben. Nahe liegende Antwort: Weil die alten Hasen nicht weichen wollen und den Jungen der Biss fehlt. Die grüne Bundestagsfraktion ist dafür ein Paradebeispiel. Ob Antje Hermenau, Matthias Berninger, Margareta Wolf oder zuletzt Christine Scheel - gleich reihenweise sind dort gestandene Persönlichkeiten ausgeschieden. Dass dieser Aderlass bislang keine bösen Folgen zeitigte, hängt mit einer besonderen Eigenschaft der grünen Anhänger zusammen. Die Partei wird in erster Linie wegen ihrer Inhalte gewählt. Auch das macht die krampfhafte Auswahl zweier "Spitzenkandidaten" so unverständlich.

Die aus dieser besonderen Wählereinstellung resultierende Stabilität der Grünen war bisher übrigens auch ein Grund dafür, dass ein Aufstand der Jüngeren gegen die Alten ausblieb. Doch das könnte sich noch ändern. Dann nämlich, wenn die Partei nach der nächsten Bundestagswahl wieder in der Opposition landen sollte. Es wäre das dritte Mal in Folge. Wenn sich die Altvorderen jetzt so wichtig nehmen und den Wahlkampf zum eigenen Vorteil personalisieren, dann müssen sie - Ironie der Geschichte - auch in Kauf nehmen, dass sich die Basis an ihnen schadlos hält, wenn die Sache schief geht. Das Mitgliedervotum wäre demnach nur ein Fingerzeig, wer in besagtem Fall das Feld zuerst räumen muss. Vielleicht sogar alle gemeinsam.

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