Die Friedenstauben starten zu einem langen Flug

Jerusalem. In Jerusalem sind die Friedenstauben los. Sie fliegen nach Süden, wo seit gestern der Waffenstillstand mit der Hamas in Kraft ist, und nach Nordwesten, um vielleicht eine Reise von Israels Premier Ehud Olmert nach Damaskus anzukündigen. Im Nordosten wollen sich die Libanesen mit der Idee direkter Verhandlungen mit Israel noch nicht anfreunden

Jerusalem. In Jerusalem sind die Friedenstauben los. Sie fliegen nach Süden, wo seit gestern der Waffenstillstand mit der Hamas in Kraft ist, und nach Nordwesten, um vielleicht eine Reise von Israels Premier Ehud Olmert nach Damaskus anzukündigen. Im Nordosten wollen sich die Libanesen mit der Idee direkter Verhandlungen mit Israel noch nicht anfreunden. Immerhin steht aber das Angebot aus Jerusalem. Wird das nahöstliche Friedenspaket, das schon vor der Unterzeichnung der Oslo-Vereinbarungen zwischen Israel und der PLO im Gespräch war, mit 15 Jahren Verspätung doch noch realisiert? Trotz des grundsätzlich positiven Trends bleiben einige Hindernisse zu überwinden.Am israelischen Appell an die Führung des Libanon, über ein Friedensabkommen zu verhandeln, ist nur eins überraschend: dass er nicht viel früher und viel lauter kam. Denn abgesehen von einem kleinen Stück Land und einem 2000-Seelen-Dorf besteht zwischen den Nachbarn kein territorialer Konflikt. Umgekehrt könnte Israel durch ein Friedensabkommen mit Beirut eine Wiederholung des Kriegsdesasters vom Sommer 2006 verhindern. Käme es nämlich zu einer weiteren Soldaten-Entführung, wäre die libanesische Regierung dafür verantwortlich, dass die Geiseln auf freien Fuß kommen und die Täter bestraft werden.Für die Libanesen wäre es indes nicht so leicht, die Widersacher Israels im eigenen Land unter Kontrolle zu bringen: Die schiitische Hisbollah verfolgt offiziell das Ziel, das noch besetzte Land zu befreien und die in Israel inhaftierten Libanesen frei zu bekommen. Letzteres wird wohl nächste Woche passieren, dann sollen die vier letzten in Israel inhaftierten Libanesen gegen zwei im Sommer 2006 entführte israelische Soldaten ausgetauscht werden. Doch das Hisbollah-Programm definiert Israel als den "kleinen Teufel", der grundsätzlich bekämpft werden müsse, ähnlich wie der "große Teufel" (gemeint sind die USA). Eine Entwaffnung der schiitischen Extremisten dürfte nicht ohne Widerstand ablaufen.Auch Syriens Staatschef Baschar Assad zögert aus innenpolitische Erwägungen. Er hätte zwar gern die 1967 von Israel besetzten Golanhöhen zurück. Doch einen Frieden oder gar den Austausch von Botschaftern braucht Assad nicht unbedingt. Eine Öffnung nach Westen, mehr Informationsfreiheit und mehr Demokratie bedrohen sein Minderheitsregime. Und: An der israelisch-syrischen Grenze ist es seit Jahrzehnten ruhig. Für Israel besteht daher ebenso wenig dringender Handlungsbedarf wie für Syrien. Der seit gestern gültige Waffenstillstand mit der Hamas dagegen bedeutet für Teile der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung einen spürbaren Fortschritt. Die israelische Grenzstadt Sderot wird nicht länger mit Kassam-Raketen beschossen, im Gazastreifen brauchen die Menschen keine Luftangriffe mehr zu fürchten. Der Waffenstillstand liegt aber auch im Interesse der politischen Führungen. Israel stand vor der Alternative: Waffenstillstand oder Großoffensive. Ein Einsatz von Bodentruppen bedeutet immer Verluste, und zivile Opfer auf Seiten der Palästinenser bringen weltweit negative Schlagzeilen. Zudem wäre ein Erfolg der Operation, die auf eine Zerschlagung des Hamas-Regimes abzielt, sehr unwahrscheinlich. Wie lange die Feuerpause hält, liegt nun in den Händen der Hamas. Die Machthaber genießen vorerst den politischen Erfolg. Sobald aber Israel und die palästinensische Fatah-Führung im Westjordanland einer Einigung näher kämen, würde die Hamas kaum mehr stillsitzen, sondern versuchen, jeden Kompromiss mit neuer Gewalt zu unterbinden.

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