Die Freiheit der anderen

Deutschland ist gegenwärtig in einem emotionalen Ausnahmezustand. Einerseits gehen "die Anständigen" (Ex-Kanzler Schröder) auf die Straße, um gegen Terror und die islamkritische Pegida ein Zeichen der Toleranz und Weltoffenheit zu setzen.

Andererseits fühlt sich eine deutliche Mehrheit der Deutschen "vom Islam bedroht" (Bertelsmann-Studie). Einerseits verteidigt die politische Klasse auf allen Kanälen und "Je suis Charlie"-Demonstrationen sogar das Recht auf Spott über Gott. Andererseits beschimpfen die gleichen Leute die Dresdner Angstbürger als "Deppen", "Idioten" und "Rassisten". Man darf den Propheten also beleidigen, aber nicht gegen ihn sein? Wie passt das zusammen?

Nun, die Widersprüchlichkeit resultiert wohl auch aus den Erfahrungen der Nazizeit. Diese haben die politische DNA der Deutschen verändert, deshalb reagieren wir bei den Themen "Meinungsfreiheit " und "Ausländerhass " besonders sensibel. Dabei gelingt vielen Bürgern das Kunststück, zugleich für und gegen etwas zu sein: für Presse- und Meinungsfreiheit , sogar für Gotteslästerer. Nerven jedoch rechtsgesinnte "Islamhasser " mit krudem Gedankengut, zählt dieses Grundrecht nicht mehr ganz so viel. Wie bei Pegida.

Ein heikler Aspekt. Denn die Dresdner Bewegung wird zwar ganz offensichtlich von "falschen Propheten " angeführt, die diffuse Ängste der Bürger für fragwürdige Zwecke missbrauchen. Andererseits sind irrationale Ängste, ob vor "Islamisierung" oder "Kriminalität", trotz allem legitim. Auch deshalb hat die Haltung der deutschen Presse , die klipp und klar Stellung gegen Pegida bezogen hat, zum Gegenvorwurf der "Lügenpresse" geführt. Die Kür zum Unwort des Jahres führt nun auch den Trotzbürgern von Dresden vor Augen, dass es sich dabei um einen historisch belasteten Begriff handelt.

Seit Sonntag haben in Paris und Saarbrücken, Leipzig und Berlin Millionen Menschen für Meinungsfreiheit und Toleranz demonstriert. Nach innen und außen ein gutes, ein notwendiges Signal. Interessant, dass dabei von der Stadt Leipzig sogar offiziell (den Islam und andere Religionen) "beschimpfende oder böswillig verunglimpfende Plakate" erlaubt wurden - im Namen der Meinungsfreiheit . Diese darf aber nicht einseitig sein, sondern muss der Einsicht von Rosa Luxemburg folgen, dass zu jeder freien Gesellschaft immer auch "die Freiheit des Andersdenkenden" gehört.

Man kann sich damit trösten, dass selbst der Pegida-Prozess Positives bewirkt hat: einen neuen politischen Diskurs. Massenweise gehen (junge) Menschen wieder auf die Straße und demonstrieren für ihre Überzeugung. Dabei ist deutlich geworden, dass die abendländische Demokratie stark genug ist, ein paar "Islamhasser " zu verkraften.

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