Die EU muss im Osten umdenken

Brüssel · Die EU-Ostpartnerschaftspolitik steckt in einer Identitätskrise. Als sie 2009 ins Leben gerufen wurde, waren Assoziierungsabkommen mit fünf der sechs Partnerländer geplant - Belarus ausgenommen. Georgien, Moldau, allen voran aber die Ukraine hoffen weiter auf den Status eines EU-Beitrittskandidaten.

Armenien hat sich stattdessen der Eurasischen Wirtschaftsunion zugewendet. Aserbaidschan und Weißrussland wollen allenfalls ein loses Abkommen mit der EU treffen. Allerdings eher um an Finanzhilfen zu kommen, die ihre maroden Wirtschaften aufpäppeln sollen. Die alte EU-Politik, die Länder aus der Nachbarschaft vor die Wahl zu stellen, entweder näher an den Westen heranzurücken oder sich Russland zuzuwenden, funktioniert nicht mehr. Stattdessen betont man nun das "Sowohl-als-auch". Doch die Erkenntnis kommt reichlich spät.

Dass Länder wie die Ukraine über die Frage, welcher Seite sie sich zuwenden sollen, spalten könnte, war zumindest nicht auszuschließen. Das rechtfertigt zwar keinesfalls das Vorgehen Russlands. Aber es kommt einer Erklärung nahe. In Riga waren die Staats- und Regierungschefs nun offenbar bemüht, die Wogen wieder etwas zu glätten. Und Moskau nicht weiter mit Absichtserklärungen einer immer engeren Zusammenarbeit mit den Nachbarländern zu provozieren. Doch damit macht sich die Union bei jenen unglaubwürdig, die sich bewusst in Richtung Europa orientiert haben. Der Ukraine nun durch die Blume zu vermitteln, sie brauche sich keine Hoffnungen auf einen EU-Beitritt zu machen, ist der falsche Weg. Denn gerade dieses Land braucht eine Perspektive, an der es sich aufrichten kann.

Auch für Georgien und Moldau sollten die Aussichten auf eine EU-Kandidatur offen bleiben. Sie waren die Grundlage, auf der die Ostpartnerschaft aus der Taufe gehoben wurde. "Kleine Geschenke" wie die mögliche Aussicht auf eine eventuelle Visafreiheit bergen zu viele Unsicherheiten, um die letzten drei Freunde der EU bei der Stange zu halten. Sicher, wo Korruption und Menschenschmuggel noch an der Tagesordnung sind, muss noch viel getan werden. Nun einseitig auf Rücksicht auf russische Befindlichkeiten selbst die Perspektive auf einen Kandidatenstatus auszustellen, bewirkt aber nur, dass der Kreml sich in seinen falschen Ängsten bestätigt fühlt.

Finnlands Premier Alexander Stubb brachte es auf den Punkt: Die europäische Integration habe zu Frieden geführt. Die Perspektiven für die Ostpartnerschaft könnten dieselben sein. Sie sei "gegen niemanden", sondern vielmehr "für alle". Nimmt man diesen Satz wörtlich, müsste die östliche Partnerschaft aber auch Russland offenstehen. Voraussetzung dafür wäre jedoch die Einhaltung des Minsker Abkommens. Noch ist die Idee eines Handelsraums von "Lissabon bis Wladiwostok" nicht gestorben. Profitieren könnten alle davon.

Mit dem Druck, den Moskau vor allem auf jene Länder ausübt, die noch kein Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen haben, erreicht Wladimir Putin aber das Gegenteil. Einschüchterung, Aggression und Waffengewalt mögen Regierungschefs überzeugen, nicht aber das Volk. Der Maidan-Aufstand in der Ukraine hat das bewiesen. Wenn Europa und Russland eine Wiederholung in Baku, Jerewan oder Minsk vermeiden wollen, müssen sie zusammenarbeiten.

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