Die Dynamik des Terrors in einer vernetzten Welt

Karlsruhe. Der Rückblick der Bundesanwaltschaft auf das Jahr sieben nach den Anschlägen des 11. September 2001 wäre womöglich einigermaßen beruhigend ausgefallen - wenigstens, was Deutschland betrifft

Karlsruhe. Der Rückblick der Bundesanwaltschaft auf das Jahr sieben nach den Anschlägen des 11. September 2001 wäre womöglich einigermaßen beruhigend ausgefallen - wenigstens, was Deutschland betrifft. Der "Kofferbomber" ist verurteilt, die "Sauerlandgruppe" wird wegen ihrer Anschlagspläne vor Gericht gestellt, einige Nester der islamistischen Internet-Propaganda sind ausgehoben. Wäre da nicht diese ungeheure Dynamik des Terrorismus: Ständig entstehen neue Gefahrenherde, bilden sich weitere Zellen und gefährliche Allianzen irgendwo auf der Welt. Beispiel Internet: Der Hinweis von Generalbundesanwältin Monika Harms auf die wachsende Bedeutung des Datennetzes für die Infrastruktur des globalen "Dschihad" ("Heiliger Krieg") ist zwar keineswegs neu. Schon vor Jahresfrist hatte das Bundeskriminalamt umfassend dargestellt, wie tausende Websites das gesamte Spektrum des Terrors, aber auch des gewöhnlichen Lebens abdecken - von der Radikalisierung neuer "Kämpfer" durch Hetzprediger über die praktische Anleitung zum Bombenbau bis zu den Alltagstipps für die islamische Frau und dem Comic für die Kinder. Und doch legt der jüngste Schlag der Bundesanwaltschaft gegen die "Globale Islamische Medienfront" (GIMF) eine bizarre Szenerie offen. Acht teils sehr junge Leute haben die Ermittler im Visier. Vier von ihnen sind Deutsche, die zum Islam übergetreten sind, so genannte Konvertiten. Zwei Haftbefehle wurden außer Vollzug gesetzt, weil die Betroffenen Geständnisse abgelegt haben - offenbar ohne großes Unrechtsbewusstsein. Bundesanwalt Rainer Griesbaum jedenfalls sprach von einer beängstigenden "Computerspiel-Mentalität". Dabei sind solche Aktivitäten mit dem Begriff "Cyber-Dschihadismus" beschönigend beschrieben. Die Beschuldigten sollen auch Enthauptungsvideos im Netz verbreitet haben - also jene Art von Propaganda, die bei der Radikalisierung von Charakteren wie dem verurteilten "Kofferbomber" Youssef El Hajdib eine zentrale Rolle spielen. Virtueller Dschihad? Seine Bomben hätten ein "Blutbad von ungeheurem Ausmaß angerichtet", hieß es bei der Urteilsverkündung. Eher nebenbei fiel am Freitag ein Satz, der einen neuen Brandherd andeuten könnte. Mit Blick auf die jüngsten Anschläge in Indien sagte Harms, man solle sich von der "geografischen Entfernung zwischen Deutschland und Bombay nicht täuschen lassen". Gleichzeitig informierte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Neu-Dehli darüber, dass einzelne Mitglieder der mutmaßlich für die Terror-Serie von Bombay verantwortlichen Extremistengruppe Lashkar-e-Taiba sich auch in Deutschland aufhielten. Die rasante Entwicklung des Terrornetzwerks Al Qaida zeigt jedenfalls, dass der globale Dschihad immer für neue Allianzen offen ist. Die "Islamische Dschihad Union" etwa, die hinter der im Sauerland festgenommenen Terrorzelle stehen dürfte, kommt ursprünglich aus Usbekistan. Inzwischen hat sie sich dem globalen "Heiligen Krieg" angeschlossen und kooperiert eng mit El Kaida. Vergleichbare Entwicklungen sind in Nordafrika oder im Jemen zu beobachten. Hinzu kommt: Es liegt in der Logik des islamistischen Terrorismus, immer spektakulärere Anschläge zu begehen - weil ihm nur so die weltweite Aufmerksamkeit gewiss ist. Bombay mit mehr als 170 Toten dürfte im eiskalten Kalkül der Drahtzieher als Erfolg erster Güte gelten.

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