Die CSU verdrängt ihre Krise

Meinung · Vermutlich wäre man früher in Bayern für einen solch spöttischen Vergleich vom Hof gejagt worden, heute ist im Freistaat vieles anders

Vermutlich wäre man früher in Bayern für einen solch spöttischen Vergleich vom Hof gejagt worden, heute ist im Freistaat vieles anders. Also wurde in Kreuth gewitzelt: Was haben CSU und SPD gemeinsam? Beide Parteien schwächeln, und wie! Im Gegensatz zu den Genossen, die im politischen Nirwana verweilen, ist die CSU indes noch auf dem Weg ins Tal - und gemessen an den jahrzehntelangen Ambitionen, eine 50-Prozent-Partei mit bundespolitischem Anspruch zu sein, ist das für die Christsozialen ein absolutes Desaster. Das Schlimme: Sie wissen nicht, wie sie ihren Abwärtstrend stoppen sollen. Also lautet die bajuwarische Losung: Krise? Welche Krise?Auch die dreitägige Klausur in Kreuth hat gezeigt, dass die CSU nicht nur unter einer Formschwäche leidet. Hinter dem Niedergang der einstigen "Staatspartei" steckt mehr: Sie hat ihre Richtung, ihre Kraft verloren - die Selbstsicherheit, zu wissen, was politisch richtig und was falsch ist. Die milliardenschwere Affäre um die Landesbank? In Kreuth kein Thema. Warum auch, wir sind die Landesgruppe im Bundestag, lautete das Argument. Billig, so einfach ist Politik nicht. Der Bürger unterscheidet auch nicht in gute und schlechte Christsoziale.Die Wahldebakel der letzten Monate? Hat es nicht gegeben. Der Schlingerkurs des Vorsitzenden? Intern wird gegrummelt, nach außen heißt es: Alles bestens. Was wäre in der Republik vor Jahren los gewesen, wenn die CSU den Posten des Vizekanzlers eingefordert hätte? Heute lacht man sich selber dafür aus. Bitter. In Kreuth wurde vor allem verkleistert und beschönigt, mit Floskel-Politik der Versuch unternommen, politisch in die Offensive zu gelangen. Schöner, neuer Aufbruch, wenn ein Jahrzehnt der Erneuerung inhaltlich bloß mit einem hausbackenen Themen-Mischmasch aus Bürokratieabbau, Elektromobilität, Ehrenamt oder EU-Mitgliedschaft der Türkei unterfüttert wird.Der Stolperstart der Koalition in Berlin hat auch mit der Lage der CSU zu tun. Bundespolitisch haben die Christsozialen derzeit nur noch als Mehrheitsbeschaffer Bedeutung. Längst sind sie nicht mehr Antreiber, Meinungsführer, Querkopf der Politik. Angela Merkel freut das, die CSU ist momentan der weitaus bequemere Partner als die FDP. Das weiß auch Parteichef Horst Seehofer. Sollte es ihm nicht gelingen, mehr Klarheit, mehr Führung und mehr Selbstkritik zu zeigen, wird sich der Frust womöglich entladen. 2011 stellt sich Seehofer zur Wiederwahl als Parteivorsitzender. Die Sehnsucht nach einem Neuanfang in der Partei ist da. Sie muss von Seehofer möglichst schnell bedient werden.

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