Die Bundesliga - ein Spiegelbild der Gesellschaft

Saarbrücken. Es ist gut, dass es noch andere Themen gibt als Erdbeben, Tsunamis, Reaktor-Katastrophen, arabische Aufstände und kriegerische Handlungen. Wenn die Überflutung mit schlechten Nachrichten allzu groß wird, freut sich der Mensch über jede Ablenkung, die Psyche und Seele entlasten hilft

Saarbrücken. Es ist gut, dass es noch andere Themen gibt als Erdbeben, Tsunamis, Reaktor-Katastrophen, arabische Aufstände und kriegerische Handlungen. Wenn die Überflutung mit schlechten Nachrichten allzu groß wird, freut sich der Mensch über jede Ablenkung, die Psyche und Seele entlasten hilft. Auch deshalb sorgt das kurios anmutende Trainer-Karussell in der Fußball-Bundesliga für Schlagzeilen und Thekengespräche.Natürlich kann man die hektischen Trainerwechsel der letzten Tage als läppische Nebensächlichkeit abtun, allenfalls dazu tauglich, den Medien und Fußballfans Gesprächsstoff zu liefern. Man darf durchaus aber auch so mutig sein zu behaupten, dass der Umgang der Profiklubs mit ihren leitenden Angestellten ein Indiz ist für den allgemein beklagten Werteverfall in der Gesellschaft. Das gegenseitige Vertrauen schwindet, der Loyalitätsgedanke ebenso. Versprechungen, Zusicherungen, Solidaritätsadressen werden in immer flotterem Tempo als hohle Phrasen entlarvt, genau so schnell gesagt wie wieder vergessen. Verträge sind im Profifußball (und anderswo) offenbar nur noch dazu da, die finanziellen Ansprüche der sportlichen Söldner zu sichern.

Felix Magath, der seine Profikarriere in Saarbrücken begann, wurde in der vergangenen Woche vom Revierklub Schalke 04, dem Verein mit dem größten Emotionspotenzial der Liga, entlassen. Zwei Tage später heuerte er wieder bei seinem Ex-Klub VfL Wolfsburg an, dem Verein mit dem geringsten Emotionspotenzial. Worüber sich eine Million Bundestrainer, ein Dutzend Vereinsvorstände sowie Bayern-Coach Louis van Gaal und zahlreiche Experten in den Redaktionsstuben aufregen. Dieses pietätlose Hin und Her grenze an "Wettbewerbsverzerrung" und schade dem Image der Liga. Über die da schon vollzogenen oder zumindest beschlossenen Trainerwechsel in Hamburg, München, Leverkusen und Freiburg regt man sich weniger auf. Dabei sind diese Personalien nicht minder fragwürdig - vielleicht sogar weit problematischer.

Oder hat es kein Geschmäckle, wenn HSV-Trainer Armin Veh so lange über seinen Arbeitgeber mosert, bis er endlich mit satter Abfindung gefeuert wird? Ist es nicht kritikwürdig, wenn der Branchen-Krösus Bayern München den Trainer des direkten Konkurrenten just in der Endphase der Bundesliga abwirbt? Und Leverkusen wiederum den Trainer von Freiburg trotz gültigen Vertrages zu sich lockt?

Am Ende steht wohl die Erkenntnis, dass auch die deutsche Bundesliga ein Spiegelbild der Gesellschaft ist. Einer Gesellschaft, die sich trotz des Lamentierens nicht nur linker Zeitgenossen dem kapitalistischen System verschrieben hat, in dem der Erfolg über allem steht. Wer nicht funktioniert, muss weichen. Ein Prinzip, das durchaus nachvollziehbar ist - rational. Das aber auch Unbehagen produziert, weil es der gemeine Fan in der Westkurve auf sich selbst bezieht. Weil er spürt, dass er spuren muss, um nicht auch ein Opfer der Erfolgsformel in seinem eigenen Betrieb zu werden.

"In guten wie in schlechten Zeiten", das gilt, wie die Scheidungsziffern belegen, ja nicht einmal mehr in der Ehe. Im Geschäftsleben der Moderne sind solche hehren Vorsätze erst recht passé. Es ist auch diese Entwicklung der Aufweichung von Bindungen, die der Gesellschaft zu schaffen macht. Doch - auch dies ein Spruch aus dem Sport - the game must go on. Und es wird spannend sein zu beobachten, wie lange es diesmal dauert, bis Magath in Wolfsburg und Heynckes in München abermals scheitern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Mit dem verzweifelten Kampf gegen den atomaren Super-Gau im Kernkraftwerk Fukushima beschäftigt sich die Zeitung "Der neue Tag" aus Weiden: Der Blick nach Japan hat bereits die Sicht auf die Kernenergie bei vielen Menschen in Deutschland verändert. Der Si
Mit dem verzweifelten Kampf gegen den atomaren Super-Gau im Kernkraftwerk Fukushima beschäftigt sich die Zeitung "Der neue Tag" aus Weiden: Der Blick nach Japan hat bereits die Sicht auf die Kernenergie bei vielen Menschen in Deutschland verändert. Der Si