Die Bewährung steht noch aus

Seit eineinhalb Jahren ist Anke Rehlinger Wirtschaftsministerin in der Nachfolge von Heiko Maas , der auf die Bundesbühne entschwunden ist. Sie hat schnell in das Amt gefunden, füllt es bisher überzeugend aus, sucht offensiv das Gespräch mit Entscheidern und Beschäftigten in Betrieben.

Das gehört zum Geschäft jedes Wirtschaftsministers. Die Frage ist allerdings, wie man die gewaltigen Herausforderungen anpackt, vor denen das Land angesichts seiner leeren Kassen und seiner Existenzbedrohung steht. Sie lassen einem Wirtschaftsminister , gleich welcher politischen Couleur, kaum noch Gestaltungsspielraum.

Die Sozialdemokratin Rehlinger macht keinen Hehl daraus, dass sie hier auch die Nähe zu den Gewerkschaften sucht. Den Arbeitgebern und Wirtschaftskammern stößt das zunehmend auf, ist man doch nur noch zwei Jahre von der nächsten Landtagswahl entfernt. Sie vermuten den Aufbau einer "Hausmacht" und unterstellen der Ministerin Einseitigkeit. Mit ihrer Konzentration auf das Thema "Industrie 4.0", bei dem es um die zunehmende Automatisierung in Betrieben und den drohenden Wegfall von Arbeitsplätzen geht, biete Rehlinger bewusst den Gewerkschaften eine Bühne und stelle sie so zufrieden.

Bisher deutet wenig darauf hin, dass dieser Vorwurf zutrifft. Es könnte sich eher als Glücksfall herausstellen, dass es einer sozialdemokratischen Wirtschaftsministerin gelingt, die Gewerkschaften mit in die Verantwortung zu nehmen. Denn es geht vor allem um die Frage, wie das Saarland eigenständig überleben kann. Hier müssen alle ran, die im Land Verantwortung tragen, hier muss Gemeinsamkeit aller Entscheider hergestellt werden.

Rehlinger hat seit ihrem Amtsantritt auch viel Glück gehabt: Die Konjunktur läuft gut, die Betriebe können viele Menschen beschäftigen, die Arbeitslosigkeit geht zurück. Das könnte sich schnell ändern. Die Bewährungsprobe für die Ministerin wie für das Land kommt noch. So wird bislang nur hinter den Kulissen offen darüber diskutiert, dass der Stahlstandort Saarland auf längere Sicht nicht abgesichert ist. Es gibt weltweit immer mehr Stahl, die Preise fallen, und eine Weltmacht wie China exportiert große Mengen für den globalen Markt. Im internationalen Vergleich sind die Dillinger Hütte und Saarstahl kleine Produzenten. Auch die Auto-Industrie mit ihren Zulieferern ist im Krisenfall gefährdet, der Mittelstand hängt ebenfalls stark von der Konjunktur ab. Von einstigen Hoffnungsbranchen wie der Bio- und Nanotechnologie spricht an der Saar kaum noch jemand.

Man darf der Ministerin also wünschen, dass ihr das Glück einer gut laufenden Wirtschaft noch länger erhalten bleibt. Sonst gehen im Saarland schnell viele Lichter aus.

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