Die bessere Variante

Meinung · Kaum haben sich die Koalitionspartner einer künftigen Bundesregierung darauf verständigt, schrittweise einen Kapitalstock zur Finanzierung der Pflegeversicherung aufzubauen, schwingen sich die Gralshüter der sozialen Gerechtigkeit schon wieder auf, um gegen diese Pläne zu Felde zu ziehen. Dabei ist eine Erhöhung der Beiträge für diese Säule der sozialen Sicherung unausweichlich

Kaum haben sich die Koalitionspartner einer künftigen Bundesregierung darauf verständigt, schrittweise einen Kapitalstock zur Finanzierung der Pflegeversicherung aufzubauen, schwingen sich die Gralshüter der sozialen Gerechtigkeit schon wieder auf, um gegen diese Pläne zu Felde zu ziehen. Dabei ist eine Erhöhung der Beiträge für diese Säule der sozialen Sicherung unausweichlich. Denn allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Pflegefälle von 500 000 auf derzeit 1,5 Millionen verdreifacht. Und die geburtenstarken Jahrgänge stehen heute noch im Erwerbsleben. Sie erreichen erst in zehn oder 20 Jahren das Alter, in dem es ihnen droht, zu einem Pflegefall zu werden. Daher dürften die Überschüsse aus der Pflegekasse, die sich aktuell noch auf etwa 4,7 Milliarden Euro addieren, bald wegschmelzen wie Schnee in der Frühlingssonne. Immer weniger Beitragszahlern steht eine wachsende Zahl von Leistungsempfängern gegenüber. Das Umlageverfahren würde schnell an die Grenzen seiner Belastbarkeit stoßen. Schon heute decken die Leistungen für pflegebedürftige Menschen oft nicht mehr die Kosten. 1500 Euro reichen pro Monat in der Pflegestufe drei selten aus. Die Sozialämter müssen den Mehrbetrag zuschießen. In vielen Fällen holen sie sich das Geld von den Kindern der Pflegebedürftigen zurück. Wer also das "Pech" hat, dass die Eltern zum Pflegefall werden, genießt bereits heute nicht mehr die Solidarität der Gemeinschaft. Auch das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Man kann den üblichen sozialpolitischen Reflexen folgen und die Beitragssätze kräftig erhöhen, was wiederum zu einem spürbaren Anstieg der Lohnnebenkosten führen würde. Vor diesem Hintergrund ist der Aufbau einer kapitalgedeckten Säule die bessere Variante. Allerdings müssten alle dazu verpflichtet werden, in diesen Topf einzuzahlen - einschließlich der Beamten und Selbstständigen. Nur dann ist der Zusatzbeitrag vor allem für Geringverdiener erträglich. Statt den Aufbau eines Kapitalstocks für die Pflegeversicherung generell zu verteufeln, sollte man die Diskussion zum Anlass nehmen, die Frage der Pflegefinanzierung grundsätzlich zu diskutieren. Schon heute sind die Grenzen zwischen Kranken-, Pflegeversicherung, Sozialhilfe und Rehabilitation fließend. Jeder versucht, die teuren Fälle der jeweils anderen Versicherung unterzuschieben. Außerdem muss die Vorsorge stärker in den Mittelpunkt rücken. Mit einer vernünftigen Lebensführung und altersgerechten Sportangeboten lassen sich viele Pflegefälle vermeiden. Hantel-Bank statt Rollstuhl ist zwar übertrieben, aber die Richtung stimmt.

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