Die Berliner Politik blickt gespannt Richtung Kiel

Berlin. Das Spiel über Bande lieben Politiker. Die Wahl in Schleswig-Holstein am Sonntag ist für die Strategen in den Berliner Parteizentralen so spannend, weil sie aus den Resultaten Trends für die Entscheidung in Nordrhein-Westfalen herauslesen wollen. An Rhein und Ruhr steigt eine Woche später die vorgezogene, kleine Bundestagswahl

Berlin. Das Spiel über Bande lieben Politiker. Die Wahl in Schleswig-Holstein am Sonntag ist für die Strategen in den Berliner Parteizentralen so spannend, weil sie aus den Resultaten Trends für die Entscheidung in Nordrhein-Westfalen herauslesen wollen. An Rhein und Ruhr steigt eine Woche später die vorgezogene, kleine Bundestagswahl.Im Fokus an der Förde stehen die Liberalen und ihr angeschlagener Parteichef Philipp Rösler. Nachdem es wochenlang so aussah, als ob zwei neue Pleiten sein Schicksal besiegeln würden, kann der 39-Jährige wieder hoffen. In den Umfragen steht der schillernde schleswig-holsteinische Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki plötzlich bei sechs bis sieben Prozent. Auch in Nordrhein-Westfalen sehen die Meinungsforscher gute Chancen, dass FDP-Hoffnungsträger Christian Lindner die Fünf-Prozent-Hürde packt. Schaffen es Kubicki und Lindner in die Landtage, wäre Rösler vorerst aus dem Schneider. Nach zwei Wahlerfolgen den eigenen Bundesvorsitzenden abzulösen, würde die Partei den letzten Rest an Glaubwürdigkeit und Geschlossenheit kosten.

Der Vizekanzler bliebe aber geschwächt. Lindner und Kubicki grenzen sich deutlich von der Bundespartei ab. Beide sehen Röslers Wirken kritisch. Lindner wäre endgültig die Lichtgestalt der FDP und Schattenchef. Viele in der Partei würden lieber mit ihm oder Fraktionschef Rainer Brüderle an der Spitze in die Bundestagswahl ziehen.

Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte - wie üblich - versuchen, sich aus den Querelen des Koalitionspartners herauszuhalten. Sie will aber ihr christlich-liberales Bündnis so gut es geht stabilisieren - und sich für die Wahl 2013 alle Optionen offenhalten. Das Getöse um Vorratsdatenspeicherung, Betreuungsgeld, Mindestlohn oder Börsensteuer dürfte eher der Abgrenzung in den Wahlkämpfen dienen als zu einem ernsthaften Zerwürfnis führen. Daher stehen Neuwahlen im Bund, über die immer wieder spekuliert wird, derzeit nicht zur Debatte. Für Merkel wie für die FDP gilt: Die volle Strecke der Wahlperiode nutzen, um das Blatt doch noch zu wenden.

Für die CDU dürfte es in Kiel schwer werden, die Macht zu behaupten. Sie liefert sich zwar in Umfragen mittlerweile ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD. Die FDP ist aber für eine Wiederauflage von Schwarz-Gelb zu schwach. Auch Schwarz-Grün ist aus der Mode. Ein Jamaika-Bündnis von CDU, Grünen und FDP - gerade nach dem gescheiterten Experiment an der Saar - ist unwahrscheinlich.

Entscheidend für eine Koalitionsbildung in Schleswig-Holstein könnte das Abschneiden der Piratenpartei sein. Die Piraten sammeln landauf, landab Frust-Wähler ein. Das geht im Norden auch zu Lasten der SPD, die zuvor viele Unzufriedene anlockte. Abzuwarten ist, ob der bisher wenig überzeugende Umgang der Piratenpartei mit rechten Tendenzen und Äußerungen ihnen bei der Wahl schadet. Die SPD setzt darauf, nach der verpassten Chance im Saarland jetzt mit Torsten Albig wieder einen Ministerpräsidentenstuhl zu besetzen. Für Rot-Grün reicht es nach Umfragen aber nicht. Albig schielt auf eine "Dänen-Ampel" mit der dänischen Minderheit vom Südschleswigschen Wählerverband (SSV), für den die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt. Auch eine klassische Ampel von SPD, Grünen und FDP ist denkbar.

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