Die Beharrlichkeit des Präsidenten

Berlin. Jeder Termin von Christian Wulff steht derzeit unter besonderer Beobachtung. Wenn der Bundespräsident heute zum neuen Jahr das diplomatische Korps begrüßt, wird das Medieninteresse wieder riesig sein. Noch mehr Andrang dürfte aber am Donnerstag herrschen, da kommt Angela Merkel zur Stippvisite ins Schloss Bellevue. Jede Geste wird dann genau gedeutet werden

Berlin. Jeder Termin von Christian Wulff steht derzeit unter besonderer Beobachtung. Wenn der Bundespräsident heute zum neuen Jahr das diplomatische Korps begrüßt, wird das Medieninteresse wieder riesig sein. Noch mehr Andrang dürfte aber am Donnerstag herrschen, da kommt Angela Merkel zur Stippvisite ins Schloss Bellevue. Jede Geste wird dann genau gedeutet werden.Christian Wulff, der von Affären geplagte Präsident, kommt nicht zur Ruhe. Er bemüht den Alltag, doch in seinem Amtssitz ist davon weiter wenig zu spüren. In Berlin wurde gestern sogar spekuliert, dass Wulff angesichts der nicht enden wollenden Kritik bald ein Signal aus dem Kanzleramt erhalten werde, seinen Dienst doch besser zu quittieren. Grund für die Vermutung ist der Besuch eines Vertrauten Merkels: Kanzleramtsminister Ronald Pofalla wird in dieser Woche zum Plausch in Bellevue erwartet. Prompt wurde die Begegnung von einigen Beobachtern als schicksalhaft interpretiert - Pofalla, der Bote Merkels mit der schlechten Nachricht?

Wohl kaum. Denn die Kanzlerin steht selbst mit dem Präsidenten im regelmäßigen Kontakt. Das Gespräch von Wulff und Pofalla sei zudem "von langer Hand" vorbereitet gewesen, wies Regierungssprecher Steffen Seibert jede Spekulation zurück. Die Bundeskanzlerin sehe weiterhin "keine Veranlassung", sich über Rücktritt oder Nachfolge Wulffs Gedanken zu machen. Basta.

Solche Worte bestärken das Staatsoberhaupt, das selbst bislang keinerlei Zweifel daran gelassen hat, die Krise wegen der Hauskredit- und Mailbox-Affäre durchstehen zu wollen. Über seine Anwälte ging er gestern sogar in die Offensive - er fürchte nicht die Veröffentlichung des Inhalts seiner Nachricht auf der Mailbox des "Bild"-Chefredakteurs, ließ er mitteilen. Die Zeitung hatte die Zustimmung zur Veröffentlichung erbeten, sie aber nicht erhalten. Seitdem wird darüber gestritten, ob der Präsident die Berichterstattung über seinen Hauskredit verhindern oder nur verschieben wollte. Eines ist jedenfalls gewiss: Dieser Vorgang belegt, wie leidensfähig Wulff ist. Der Mann hat politisches Stehvermögen. Drei Anläufe benötigte er, um 2003 niedersächsischer Ministerpräsident zu werden. Andere hätten spätestens nach der zweiten Niederlage frustriert aufgegeben oder wären von parteiinternen Widersachern zu Fall gebracht worden. Nicht so Wulff.

Diese Beharrlichkeit hilft ihm jetzt. Darüber hinaus weiß auch der Präsident, dass Merkel kein Interesse daran hat, schon wieder nach einem neuen Bundespräsidenten zu suchen. Sie will das eigene Scheitern mit dem zweiten von ihr auserkorenen Präsidenten nach Horst Köhler unbedingt verhindern. Und was Wulff ebenso noch zupass kommt, ist eine Opposition, die jetzt durchschaubar versucht, die Kanzlerin mit vergifteten Angeboten für einen gemeinsamen, neuen Kandidaten vor sich her zu treiben. Und die sich selbst nicht einig darüber ist, ob ein Rücktritt des Präsidenten Neuwahlen zur Folge haben müsste oder nicht.

Gleichwohl gibt es Gründe, die zu einem Rücktritt des Bundespräsidenten in absehbarer Zeit führen könnten. Wulff hat massiv an Glaubwürdigkeit und Vertrauen verloren, fraglich ist, wie er beides zurückerlangen will. Auch ist offen, ob in den nächsten Tagen nicht weitere pikante Vorwürfe gegen ihn erhoben werden. Gewühlt wird seitens der Medien fleißig. Überstanden hat Wulff die Krise also noch lange nicht.

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