Die Bahn entdeckt den Kunden

Wer eine Reise mit der Deutschen Bahn plant, muss leidensfähig sein. Im günstigsten Fall erreicht er sein Ziel, und das auch noch zur geplanten Zeit - vorausgesetzt, die Lokführer haben gerade mal keinen Ausstand beschlossen, die Weichen versehen trotz Hitze oder Kälte ihren Dienst, und auch Herbst und Winter sind gnädig und setzen die Züge nicht mit einem Schmierfilm aus Blättern oder mit Eis und Schnee außer Betrieb.

Von übervollen Zügen mal ganz abgesehen.

Auch mit dem Geld sollte es der Reisende nicht zu genau nehmen. Sicher, bei entsprechender Planung und Zugbindung kann man auch mit der Bahn vergleichsweise preiswert durchs Land kommen. Wer aber kurzfristig oder auch flexibel reisen muss, bleibt beim Sparen außen vor. Dann werden für eine einfache Fahrt nach Berlin schnell mal 140 Euro fällig, eine Fahrt nach Düsseldorf kostet zwischen 70 und 110 Euro und selbst der kurze Weg von Saarbrücken nach Trier muss mit 18 Euro bezahlt werden. Bisher war es ein einfacher Mechanismus: steigende Kosten, steigende Preise. Seit Jahren folgt die Bahn dieser Linie und erhöht mit steter Regelmäßigkeit fast jedes Jahr die Tarife.

Jetzt scheint das Management erkannt zu haben, dass es für den Erfolg der Bahn eines entscheidenden Faktors bedarf: des Kunden . Weil der aber nicht mehr bereit ist, immer weiter Preissteigerungen mitzutragen, hat Bahnchef Grube die Notbremse gezogen und - zum zweiten Mal in Folge - die Preise stabil gelassen. Was nicht heißt, dass die Bahn nicht auch weiterhin mit Kostensteigerungen zu kämpfen hat. Nur wälzt der Konzern diese nun nicht mehr auf die Kunden ab, sondern geht die aufgeblasenen Strukturen des Konzerns an.

Grund für den Preisschwenk ist weniger die plötzlich erwachte Kundenliebe, sondern die Tatsache, dass vor allem jüngere Nutzer der Bahn den Rücken kehren. Diese setzen stattdessen auf die wachsende Konkurrenz der Fernbusse . Wer für eine Fahrt von Saarbrücken nach Berlin nur 20 Euro zahlen muss, nimmt dafür gerne auch ein paar Stunden mehr auf der Straße in Kauf. Rund 60 Millionen Euro Umsatz hat die Fernbus-Konkurrenz die Bahn im vergangenen Jahr gekostet. Und bei regulären Preisen ist sogar das Auto häufig konkurrenzfähig.

Letztlich steht die Frage im Raum, welche Aufgabe die Bahn eigentlich grundsätzlich verfolgen sollte. In Zeiten des geplanten Börsengangs galt die Bahn ausschließlich als renditeorientiertes Unternehmen. Privatwirtschaftlich mag das ja ein Ansatz sein - volkswirtschaftlich sollte es allerdings Aufgabe der Bahn sein, möglichst viele Personen und Güter zu vertretbaren Preisen zu transportieren. Auf dieses Ziel sollte sie sich wieder besinnen.

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