Die Allzweck-Reserve der Genossen

Berlin · Dass sie einmal Wirtschaftsministerin werden würde, war Brigitte Zypries nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Sie ist eine profilierte Juristin, war sogar mal als Verfassungsrichterin im Gespräch. Und mit der nächsten Bundestagswahl wollte die 63-jährige SPD-Frau sowieso aufhören. Den Parteimitgliedern in ihrem Wahlkreis Darmstadt-Dieburg, den sie drei Mal direkt gewann, teilte sie das schon im letzten Sommer mit. Sie wollte sich nur noch im Stadtparlament um die Kommunalpolitik kümmern. Nun betritt sie noch einmal die ganz große bundespolitische Bühne.

Es ist eine Übergangslösung, obwohl Zypries auf eine entsprechende Frage unserer Redaktion meinte: "Erst mal mach ich ein Dreivierteljahr. Und dann sehen wir weiter". Ministerin kann Zypries natürlich, sie hat sieben Jahre lang unter Gerhard Schröder (SPD ) und dann auch unter Angela Merkel (CDU ) das Justizressort geleitet. Das Gesetz gegen Stalker und das neue Unterhaltsrecht gehen auf Zypries zurück. Berühmt wurde ihr Satz: "Einmal Zahnarztgattin, immer Zahnarztgattin, das gilt nicht mehr".

Obwohl Zypries in Kassel aufwuchs und zunächst in der hessischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Holger Börner (SPD ) arbeitete, wurzelt ihre politische Karriere doch in einem anderen Bundesland: Zypries ist Teil der sogenannten Niedersachsen-Connection in der Bundespolitik, der auch Sigmar Gabriel angehört. Sie studierte zusammen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Gießen, beide gingen dann als junge Juristen 1991 zum neuen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder in die Staatskanzlei in Hannover. Und machten dort Karriere. Klar, dass Schröder sie mitnahm nach Bonn und Berlin , als er Kanzler wurde. Beide bewährten sich auch dort als sehr loyale Helfer. Steinmeier als Chef im Kanzleramt, Zypries als Staatssekretärin im Innenministerium. 2002 koordinierte sie die Fluthilfe und machte das so gut, dass sie anschließend mit dem Justizministerium belohnt wurde. Schließlich hatte der Umgang mit der Elbeflut Schröder den Kanzler-Job gerettet.

Brigitte Zypries ist in den vergangenen Jahren eine wichtige Frau im Hintergrund gewesen. Als Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion verhandelte sie bis 2013 zum Beispiel mit dem damaligen Unionsfraktionsgeschäftsführer aus dem Saarland, Peter Altmaier , die Besetzung höchstrichterlicher Stellen aus. Die stets freundliche und zugewandte Politikerin agierte dabei höchst verschwiegen. Und ohne eigene Machtansprüche. Zuletzt hielt sie Gabriel als Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium bei den Themen Digitales und Raumfahrt den Rücken frei.

Hätte die SPD jetzt einen anderen profilierten Außenpolitiker gehabt, wäre Sigmar Gabriel wahrscheinlich im Wirtschaftsressort geblieben und für Zypries' Lebensplanung hätte sich nichts verändert. Aber so einen Außen-Experten hat die SPD nicht. Und wenn nicht Gabriel auf Steinmeiers Stelle gewechselt wäre, hätte es, sagt man in der SPD-Fraktion , als einziger noch Justizminister Heiko Maas machen können. Dann wäre die Allzweckreserve und Ex-Justizministerin Zypries erst recht zum Einsatz gekommen.

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