Die Ära Ypsilanti ist nur formal beendet
Darmstadt. Mitten im Saal saß Andrea Ypsilanti. Nicht mehr oben auf dem Podium, wo sonst ihr Platz bei Parteitagen der hessischen SPD war. Am Samstag nahm Ypsilanti in Darmstadt Abschied vom Amt der Landesvorsitzenden - mit einem emotionalen und von fast allen Delegierten gefeierten Auftritt. "Ich bleibe eine von euch", sagte sie am Ende ihrer Rede unter Tränen
Darmstadt. Mitten im Saal saß Andrea Ypsilanti. Nicht mehr oben auf dem Podium, wo sonst ihr Platz bei Parteitagen der hessischen SPD war. Am Samstag nahm Ypsilanti in Darmstadt Abschied vom Amt der Landesvorsitzenden - mit einem emotionalen und von fast allen Delegierten gefeierten Auftritt. "Ich bleibe eine von euch", sagte sie am Ende ihrer Rede unter Tränen. Und als ihr Nachfolger Thorsten Schäfer-Gümbel sie danach umarmte, gab es stehenden Applaus. Den Neuanfang nach der Schlappe bei der Landtagswahl Mitte Januar muss nun Schäfer-Gümbel schaffen, der mit 90 Prozent der Stimmen zum Parteichef gewählt wurde. Nach ihren gescheiterten Versuchen, eine von den Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden, mag Ypsilanti unter den Wählern massiv Vertrauen verloren haben. Anders in der Partei: Dass sie bei ihren Genossen noch immer starken Rückhalt genießt, war in Darmstadt wieder deutlich zu spüren. Nach ihrer Rede kam zwar vereinzelt Kritik an dem geplanten Linksbündnis auf, doch es überwogen zum Teil heftige Angriffe auf die Parteirebellen, die Ypsilanti gestoppt hatten. Auch die frühere Landesvorsitzende selbst ging ihre Gegner hart an. Eine Gewissensentscheidung sei zwar immer ganz persönlich. Eine "organisierte Gewissensentscheidung" dagegen bleibe "stets fragwürdig", sagte sie mit Blick auf die Abgeordneten um den früheren Parteivize Jürgen Walter, die ihre Wahl zur Ministerpräsidentin verhindert hatten. Wie tief getroffen Ypsilanti noch heute ist, verbarg sie in Darmstadt nicht. Sie habe immer gewusst, dass der Erfolg viele Väter haben werde, der Misserfolg aber nur eine Mutter, sagte die 51-Jährige. Mit sich selbst scheint Ypsilanti dagegen im Reinen zu sein: Sie habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Mit ihrem Rückzug habe sie mehr Verantwortung übernommen, als es heute üblich sei. Sie müsse sich aber nicht alles gefallen lassen. Schäfer-Gümbel stellte sich hinter seine Vorgängerin und dankte ihr mit einem Blumenstrauß für alles, was sie erlitten habe. Ihm kommt nun die schwere Aufgabe zu, die hessischen Sozialdemokraten wieder an die Macht zu bringen. Vor den Neuanfang stellte der neue Hoffnungsträger des Landesverbandes jedoch eine nüchterne und schonungslose Bilanz: Das Ergebnis von 23,7 Prozent bei der Landtagswahl im Januar sei ein "herber Denkzettel" gewesen. Das klare Eingeständnis dieses Scheiterns müsse am Anfang des Neustarts stehen. In seiner Rede begeisterte Schäfer-Gümbel seine Partei aber vor allem dann, wenn er den Blick nach vorn richtete. So wertete er die Wirtschaftskrise als Chance für die SPD, weil sie Antworten dafür habe. Dagegen seien die Marktradikalen gescheitert. An seine Genossen appellierte der neue Parteichef eindringlich, es müsse Schluss sein mit der "Selbstbeschäftigung". Parteibasis und Bürger erwarteten, dass die SPD endlich wieder Politik mache. Die Zeichen standen damit auf Aufbruch in Darmstadt. Aufbruch nach einem turbulenten Jahr, das mit einem gefühlten Wahlsieg im Januar 2008 begann und dem schlechtesten SPD-Ergebnis in der hessischen Geschichte rund zwölf Monate später endete. Es gebe noch immer viele Wunden aus dieser Zeit, räumte Schäfer-Gümbel ein. Die SPD habe einen langen Weg vor sich. Er selbst wird dabei die Führung übernehmen müssen. Ob er die richtige Richtung einschlägt, wird erst die nächste Landtagswahl 2014 zeigen.