Dialog statt Shitstorm

Der Gesprächsfaden zwischen der Politik und einem Teil der Menschen in Deutschland scheint völlig gerissen. Das Thema Flüchtlinge ist dabei ein Extrem-Beispiel: Hier kommunizieren, wie wir im Falle Bodo Ramelows lernen, einige Bürger mit den Verantwortlichen nur noch über Hass-Mails und Morddrohungen - in harmloseren Fällen mit Shitstorms im Internet.

Und nicht nur jene, die gestern wieder in Dresden marschierten, glauben fest daran, dass "die da oben" ihre Probleme ignorieren. Das gilt für andere - weniger kontroverse - Politikfelder als Integration und Asyl nicht minder.

Auch die Politik nimmt offenbar wahr, dass die Distanz von Regierenden und Regierten insgesamt zunimmt. Gestern hat Schwarz-Rot in Berlin dem Volk quasi offiziell mitgeteilt: Wir müssen mal reden! Das soll unter anderem in 150 Diskussionsveranstaltungen geschehen. Hier will die Regierung herausbekommen, was den Deutschen wirklich wichtig ist. ,,Bürgerdialog" nennen das Angela Merkel und ihr Vizekanzler.

Nun sollte man niemanden entmutigen, bei den drei bislang geplanten Terminen im Saarland seine persönlichen Ideen vorzutragen. Die Frage muss aber schon erlaubt sein, ob Politiker ein solches weiteres Format brauchen. Schließlich begegnen sie den Bürgern in wochenlangen Wahlkämpfen und in der Wahlkreissprechstunde. Sie empfangen Eingaben, studieren die Medien und werten nicht zuletzt Umfragen aus, die es quasi zu jedem Lebens- und Politikbereich gibt. Man fragt sich, was der sogenannte Bürgerdialog all dem hinzufügen soll - außer das Gefühl bei manchem Wähler , mal etwas gesagt zu haben.

Wichtiger ist aber die Wahrnehmung, im politischen Stimmengewirr gehört zu werden. Das aber kann auch einfach bedeuten: Mal klaren Widerspruch erfahren, ein mutiges Bekenntnis der Gegenseite hören. In Deutschland mangelt es weniger an Fragen der Bürger, sondern an klaren Antworten der Politik.

Das gilt auch und gerade für das Flüchtlingsthema. Wo die Politik vor Hinweisen auf konkrete Probleme vor Ort die Ohren verschließt, werden am Ende nur die gehört, die besonders laut schreien. Dialog ist, was Sigmar Gabriel gesucht hat, als er sich zu den Dresdner Pegida-Demonstranten begab. Dialog heißt aber auch, sich vor die Wähler zu stellen und klar zu sagen, dass Deutschland die Herausforderung der Immigration aus humanitären, aber langfristig auch aus ökonomischen Gründen ohne Wenn und Aber annehmen muss - und zwar trotz der unleugbaren, mannigfaltigen Probleme, die sie bringt.

Das wird die Hass-Mail-Schreiber nicht erreichen. Die wollen keinen Dialog, Sie rotzen nur ihre beschränkte Weltsicht raus. Aber das muss die Politik, das müssen wir alle aushalten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort