100 Jahre Nationalversammlung Weimarer Republik war mehr als ihr Scheitern

Weimar · Als der Bundespräsident am Mittwoch mit seiner Rede beginnt, herrscht im Deutschen Nationaltheater Stille. Die 800 Frauen und Männer im Saal wollen hören, was Frank-Walter Steinmeier zu 100 Jahren Weimarer Nationalversammlung zu sagen hat.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach beim Festakt 100 Jahre Weimarer Verfassung.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach beim Festakt 100 Jahre Weimarer Verfassung.

Foto: dpa/Martin Schutt

Am 6. Februar 1919, als das frisch gewählte Parlament in der Klassikerstadt zum ersten Mal zusammenkam, war das ganz anders. 58 Worte des Volksbeauftragten und späteren Präsidenten Friedrich Ebert (SPD) dauerte es, bis das Protokoll erste Zwischenrufe von rechts registrierte.

Der Jenaer Politikwissenschaftler Michael Dreyer erzählt davon am Vormittag. Er steht dem Verein „Weimarer Republik“ vor. Zusammen mit seinen Mitstreitern will er dem Staatsoberhaupt die Pläne für ein Haus der Weimarer Republik vorstellen. Es soll im ehemaligen Bauhaus Museum, dessen Neubau im April eingeweiht wird, entstehen, direkt dem Nationaltheater gegenüber.

Ein wenig verwundert es schon, dass es bis heute kein Museum in Deutschland gibt, das an die knapp 200 Tage in Weimar erinnert, an die nur wenigen Monate zwischen Februar und August, die den folgenden 14 Jahren den Namen gaben: Weimarer Republik. An die 423 Abgeordneten, Männer – und zum ersten Mal auch Frauen, die sich aufmachten, dem untergegangenen Kaiserreich eine demokratische Verfassung zu geben. Bis zum 31. Juli 1919 dauerten die Beratungen, 14 Tage später trat die Verfassung in Kraft. Mit dem Frauenwahlrecht, dem Achtstundentag, betrieblicher Mitbestimmung oder der Trennung von Staat und Kirche zählte sie damals zu den modernsten der Welt.

Für den Historiker haben viele ihrer Artikel nichts an ihrer Aktualität verloren. Dreyer weist nach Frankreich, wo die Trennung der Gewalten nach Weimarer Vorbild bis heute gilt. Ähnlich äußert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Nachmittag bei einem Treffen mit Weimarer Gymnasiasten. Das Grundgesetz, das in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, baut auf der Weimarer Verfassung auf, erläutert Merkel den jungen Leuten.

Leider, sagt der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Laufe des Tages, werde die Essenz der Weimarer Republik immer wieder auf ihr Scheitern reduziert. „Wir sollten die Weimarer Republik nicht länger nur von ihrem Ende her betrachten. Sie war mehr als nur die Vorgeschichte des Nationalsozialismus, und sie war keine Einbahnstraße in die Barbarei“, sagt auch der Bundespräsident während des Festaktes. Es ist wie ein roter Faden, der sich durch den Tag zieht. Ja, mit dem Ende von Weimar beginnt die Diktatur der Nazis, ist es bis zu Krieg und Holocaust nicht mehr weit. Und dennoch darf an diesem Tag gefeiert werden.

Immer wieder ist Thema, wie aus den Fehlern der jungen Demokratie des letzten Jahrhunderts gelernt werden kann. Dabei bleibt es nicht nur bei Worten. Der Gottesdienst ist nicht nur ökumenisch, es kommen auch die Vertreter anderer Religionen und ein Atheist zu Wort. Das entstehende Haus der Weimarer Republik erhält im Anbau ein Haus der Demokratie. Die Weimarer Republik, die am Ende als „Demokratie ohne Demokraten“ galt, war mehr als ihr Scheitern. Aber der Bundespräsident formuliert auch, was die Bundesrepublik braucht, um das Scheitern Weimars zu vermeiden. „Republikanische Begeisterung!“ Gerade in einem „Jahr voller Umbrüche, mit wirtschaftlichen Herausforderungen, mit Wahlen in vier Ländern und Wahlen, in denen es um Europas Zukunft geht“.

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