Leitartikel Deutschland darf nicht die Axt an die Nato legen

Die Nato, deren Gründung sich an diesem Donnerstag zum 70. Mal jährt, hat spektakulär Erfolgsgeschichte geschrieben. Das Verteidigungsbündnis hat dafür gesorgt, dass aus der Ost-West-Konfrontation nach dem Zweiten Weltkrieg nie ein heißer Krieg geworden ist.

Leitartikel: Deutschland darf nicht  die Axt an die Nato legen
Foto: SZ/Robby Lorenz

Gerade die Deutschen hätten Grund, sich darauf zu besinnen. Das Leben in Frieden und Freiheit war 1949 existenziell bedroht. Stalin blockierte seit beinahe einem Jahr alle Zufahrtswege nach Berlin. Die Allianz war die Antwort von Amerikanern, Briten, Franzosen, Italienern, Niederländern, Belgiern und sechs weiteren Ländern auf die Drohgebärden Moskaus Richtung Westen. Bis zum Mauerfall war die Nato die Lebensversicherung für Westeuropa.

Das Geburtstagskind ist in Deutschland aber schlecht gelitten. Die meisten Politiker und Bürger nehmen zu wenig zur Kenntnis, dass die Bedrohung unseres Lebensmodells nicht ein Szenario von gestern ist. Auf das Konto von Russlands Wladimir Putin geht der Überfall und die Besetzung der Krim. Erstmals seit Ende des Weltkrieges lässt offenbar der russische Geheimdienst auf westlichem Territorium Menschen vergiften. Moskau mischt sich in Wahlen ein, steckt hinter Cyberattacken, unterstützt Faschisten und Europahasser und versucht, die Demokratien im Westen zu destabilisieren.

Die Nato ist daher heute gerade für die Deutschen genauso wichtig wie vor Jahrzehnten. Daher verwundert es, welche Prioritäten die Koalition in der finanziellen Vorausplanung setzt. Der Bundesregierung ist es wichtiger, Rentengeschenke an die Zielgruppen von Sozialdemokraten und Christdemokraten zu verteilen, als sich an Beschlüsse in der Allianz zu halten: nämlich die Verteidigungsausgaben bis 2024 einem Betrag anzunähern, der zwei Prozent der Wirtschaftskraft des Landes entspricht. Mit dem Eckwertebeschluss zum Haushalt verabschiedet sich Berlin von der Zusage an die Nato, bis 2024 bei einem Wert von 1,5 Prozent zu landen.

Was Berlin treibt, ist fahrlässig. Deutschland als wirtschaftlich zweitgrößtes Nato-Land hat Vorbildfunktion in Europa. Berlin nimmt auf die leichte Schulter, welche Konsequenzen diese Verweigerung bedeuten könnte. Im Weißen Haus sitzt mit dem Egomanen Donald Trump erstmals ein US-Präsident, der sich nicht uneingeschränkt zur Solidarität gegenüber seinen Bündnispartnern bekennt. Die Gefahr ist real, dass Trump die USA aus der Nato herausführt.

Die Nato ist in ihrer schwersten Krise seit der Gründung. Die Hauptverantwortung dafür liegt ohne Zweifel bei Trump, auch weil er mit Alleingängen etwa gegen das Atomabkommen oder gegen den freien Handel Zweifel aufkommen lässt, ob die Nato noch eine Gemeinschaft gemeinsamer Werte ist. Aber die Bundesregierung hat in dieser heiklen Phase eine Schlüsselfunktion. Sie darf Trump nicht den Vorwand liefern, die Nato zu beschädigen. Ansonsten wird es eines Tages heißen, dass zwei Länder – freilich aus völlig unterschiedlichen Motiven – das Ende der Allianz befördert haben. Donald Trump – und Deutschland, das ihm die Vorlage gab.

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