Deutsche sind für Franzosen eher Partner als Freunde

Paris. Frankreichs republikanische Symbolfigur heißt Marianne - barbusig schwenkt sie auf einem berühmten Gemälde die Nationalflagge in die Höhe. Deutschlands Tugenden dagegen verkörpert in den Augen der meisten Franzosen Angela Merkel. Die Kanzlerin hat an der Seine eine Popularität erreicht, von der sie an der Spree wohl nur träumen kann

Paris. Frankreichs republikanische Symbolfigur heißt Marianne - barbusig schwenkt sie auf einem berühmten Gemälde die Nationalflagge in die Höhe. Deutschlands Tugenden dagegen verkörpert in den Augen der meisten Franzosen Angela Merkel. Die Kanzlerin hat an der Seine eine Popularität erreicht, von der sie an der Spree wohl nur träumen kann. "Welche Worte und welche Ideen gehen Ihnen beim Gedanken an Deutschland spontan durch den Kopf?", wollte das renommierte Ifop-Institut Anfang Januar bei einer repräsentativen Umfrage wissen. Merkel kam mit 20 Prozent der Nennungen auf Platz zwei, nach den Begriffen "ernst" und "streng" (22 Prozent).Die Umfrage sollte den Franzosen ein Jahr vor dem 50. Jahrestag der Elysée-Verträge zu den deutsch-französischen Beziehungen den Puls fühlen. Die interessanteste Erkenntnis: Eine große Mehrheit sieht dabei eher eine Partnerschaft denn eine Freundschaft. Es überwiegt eine Nutzwert-Einschätzung, die als wichtigstes Element des Schulterschlusses zwischen Paris und Berlin die Funktion als Motor der Europäischen Union sieht. Eine Angleichung der Volkswirtschaften und der Unternehmen - wie sie am Montag in Paris die Finanzminister Francois Baroin und Wolfgang Schäuble ausloteten - wird dementsprechend mehrheitlich befürwortet.

Auch Präsident Nicolas Sarkozys sozialistischer Herausforderer François Hollande hat dieser geänderten Sichtweise am Vortag bereits Rechnung getragen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung stellte er für den 50. Jahrestag der Elysée-Verträge vom 22. Januar 1963 einen neuen deutsch-französischen Vertrag in Aussicht. Beide Länder müssten Europa neue Dynamik geben, das würde er als Präsident der Kanzlerin selbst in Berlin erklären.

Deren Popularität - vor allem bei jüngeren Franzosen - überraschte in der Umfrage kaum: Schon im August hatte eine breite Mehrheit der Franzosen erklärt, sie vertraue in der Euro-Schuldenkrise Angela Merkel mehr als dem eigenen Präsidenten. Viele Franzosen stellen sich aber heute die Frage, wie sich das Modell der Sozialversicherung "à la francaise" mit einer starken, aufstrebenden deutschen Wirtschaft vereinbaren lasse. Das zeigen auch Aussagen zum Stand der gemeinsamen Beziehungen: Eine Mehrheit findet sie nicht "sehr gut", sondern "eher positiv".

Die Ifop-Studie hatte die Deutsche Botschaft in Paris in Auftrag gegeben. Nebenbei sollte sie auch der im französischen Wahlkampf aufgekommenen Polemik um eine vermeintliche "Germanophobie" nachspüren: einer Deutschfeindlichkeit in Frankreich. Es gibt sie nicht, wenn man der Umfrage Glauben schenken darf. Das französische Deutschland-Bild wird nur noch bei Älteren von den Kriegszeiten bestimmt - als prägend gilt heute längst die Ära der Wiedervereinigung und des Mauerfalls.

Zu ähnlichen Einschätzungen kommen auch immer wieder die Beobachter aus dem deutsch-französischen Umfeld. Die Ifop-Umfrage zeigt ein überwiegend positives Deutschland-Bild, in dem die üblichen Klischees vom disziplinierten, fleißigen Deutschen mit solider Rechtschaffenheit nicht fehlen. Die Kehrseite der Medaille: Eine bessere Lebensqualität in Deutschland vermuten gerade mal etwas mehr als ein Viertel der Franzosen. Der Rest empfindet die eigene Heimat da als weitaus gemütlicher.

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