Deutsche Katholiken suchen ein neues Gesicht

Berlin/Münster · Ein Jahr nach der Wahl von Papst Franziskus steht die katholische Kirche in Deutschland vor einer neuen Zäsur. Auf ihrer heute beginnenden viertätigen Frühjahrsversammlung in Münster bestimmen die 66 Bischöfe und Weihbischöfe einen neuen Vorsitzenden.

Zwar steigt übermorgen über dem Schieferdach des Priesterseminars kein weißer Rauch auf wie über der Sixtinischen Kapelle, doch ist die Entscheidung des Führungsgremiums nicht minder spannend. Denn dem neuen "Gesicht" des Katholizismus deutscher Prägung kommt in einer Zeit, in der sich die Kirche gegen Krisen und zunehmenden Druck der säkularen Gesellschaft stemmt, eine wichtige Rolle zu. Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch (75) gibt das Amt nach sechs Jahren aus Altersgründen auf. Wer auf ihn folgt, ist offen. Klare Favoriten sind nicht auszumachen - anders als 2008, als nur Zollitsch und Münchens Erzbischof Reinhard Marx als ernsthafte Option für die Nachfolge des "Übervaters" Karl Kardinal Lehmann galten.

Theologisch unangreifbar, politisch überzeugend, leitungserfahren, gut vernetzt, redegewandt, nicht zu alt: Das Anforderungsprofil für den Vorsitzenden der Bischofskonferenz hat es in sich. Er muss die kirchliche Lehre offensiv und glaubwürdig vertreten, mit Medien umgehen, Kontakte zu politischen Entscheidern pflegen, in der Debatte um Sterbehilfe oder soziale Ungerechtigkeit kirchliche Positionen zur Geltung bringen. Er muss in Rom Freiräume schaffen für die Ortskirche, dialogfähig sein mit Protestanten und Muslimen.

Bischöfe aus 27 Diözesen, dazu Dutzende Weihbischöfe - die Deutsche Bischofskonferenz ist alles andere als homogen zusammengesetzt. Böse Zungen sprechen von einer Schlangengrube. Reformorientierte und konservative Kräfte prallen hier aufeinander, unterschiedliche Sozialisation, landsmannschaftliche Prägungen und Altersgruppen. Beschlüsse der zweimal jährlich tagenden Konferenz brauchen nicht selten Jahre. Aktuelles Beispiel ist das Ringen der Bischöfe um einen neuen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.

Wer hat Lust, dieses Gremium zu führen? Oder: Wer tut sich das an? Marx (60) - inzwischen im Kardinalsrang - ist sicher erneut ein aussichtsreicher Kandidat. Er führt eine bedeutende Erzdiözese, gilt nicht als stockkonservativ, ist als Mitglied im Beratungsgremium des Papstes zur Kurienreform und Chef der Europäischen Bischofskonferenz international vernetzt. Triers Bischof Stephan Ackermann (49) übernahm bei der Aufarbeitung des Missbrauchskandals Verantwortung und löste die extrem schwierige Aufgabe nach Meinung vieler gut.

Franz-Josef Bode (63) aus Osnabrück gehört nach mehr als 18 Amtsjahren zu den dienstältesten Bischöfen, leitet die Glaubenskommission der Bischofskonferenz und brächte viel Erfahrung mit. Essens Franz-Josef Overbeck (49) ist Militärbischof und setzt in der als schwierig geltenden Diözese Essen Strukturreformen um. Der erst 2008 ernannte Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki (57) legte eine steile Karriere hin, wählte als Kardinal den Papst mit und hat sich in der Multikulti-Hauptstadt viel Respekt erworben. Weitere Namen könnte man nennen. "Eigentlich kommt fast jeder infrage", sagt Theodor Bolzenius, Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der Laien-Vertretung.

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