Der Patient OSZE atmet in Astana schwach

Astana. Astana ist im Winter kein Ort, an dem Freude aufkommt. Der Wind fegt aus der Steppe heran, zischt klirrend kalt durch die Prachtstraßen der 600 000-Einwohner-Metropole - wer kann, sucht Deckung. Für den OSZE-Gipfel in der kasachischen Hauptstadt waren Autos und Menschen von den Straßen verbannt worden, der Luftraum wurde gesperrt

Astana. Astana ist im Winter kein Ort, an dem Freude aufkommt. Der Wind fegt aus der Steppe heran, zischt klirrend kalt durch die Prachtstraßen der 600 000-Einwohner-Metropole - wer kann, sucht Deckung. Für den OSZE-Gipfel in der kasachischen Hauptstadt waren Autos und Menschen von den Straßen verbannt worden, der Luftraum wurde gesperrt. Die allgemeine Trostlosigkeit setzte sich gestern auch im Palast der Unabhängigkeit fort. Elf Jahre (!) nach dem letzten Gipfel übten sich die 56 Mitgliedsstaaten dort in einer Wiederbelebung der Organisation, die einst aus der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervorging. Diese markierte 1975 den Höhepunkt der Enspannungspolitik im kalten Krieg. Und heute?Immerhin ist die OSZE die einzige sicherheitspolitische Organisation, in der alle europäischen Länder, die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die USA und Kanada vertreten sind. Alle Teilnehmerstaaten schulden einander Rechenschaft für ihre Beziehungen untereinander und für ihren Umgang mit den eigenen Bürgern. Öffentlich bekannt ist die OSZE durch ihre Wahlbeobachter-Missionen, für die das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte zuständig ist.

Dennoch musste der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew in seiner Begrüßungsansprache die Mitglieder fast flehentlich zu einer stärkeren Inanspruchnahme der Organisation bewegen. Mutig regte der Präsident die Einrichtung neuer "Körbe" an, wie die Aufgabenfelder in der OSZE seit Anbeginn heißen. Nasarbajew machte gar einige Vorschläge - und wurde prompt vom russischen Präsidenten Dmitri Medwedew rüde ausgebremst. "Die OSZE hat bereits begonnen, an Gewicht zu verlieren" - das müsse man ganz deutlich sagen, meinte Medwedew. Zwar hatte er für OSZE auch ein bisschen Lob übrig, sprach gar von einer "Triebfeder der Zusammenarbeit", von einer "universellen, unvergleichlichen Plattform". Aber neue Aufgabenfelder wollte der russische Präsident in der OSZE nicht haben. Es reiche völlig aus, die bestehenden Instrumentarien einzusetzen, sagte er.

Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton hielt sich ebenfalls bedeckt, sprach sich zwar für die Verabschiedung eines "starken Abschlussdokuments" aus, ging aber kaum in die Tiefe. Afghanistan nannte sie als ein Einsatzgebiet, den Langzeitkonflikt in Transnistrien als ein weiteres.

Die Trans-Dnjestr-Region spaltete sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 2006 von Moldau ab, das das Gebiet östlich des Flusses an der Grenze zur Ukraine Transnistrien nennt. Damals wurde eine Konfliklösung im Rahmen der sogenannten 5 plus 2 Gespräche versucht. Das Format umfasst die beiden Konfliktparteien sowie als Vermittler die OSZE, Russland und die Ukraine. Die EU und die USA sind als Beobachter vertreten. Die Gespräche wurden schnell wieder ausgesetzt.

Zumindest zum Auftakt des Gipfel konnte das Projekt "OSZE-Wiederbelebung" als gescheitert bezeichnet werden. Zu unterschiedlich waren die Ansätze, zu gering das Interesse. Nur wenige Regierungschefs hatten den Weg nach Astana gefunden, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Die Kanzlerin brachte das allgemeine Dilemma auf einen höflichen Nenner. Die Bewältigung der Probleme sei oft mühselig.

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