Der Papst besucht ein Land mit vollen Kirchen

Manila · Mehr als 300 Jahre spanischer Kolonialherrschaft haben die Philippinen nachhaltig christianisiert. Annähernd 90 Prozent der hundert Millionen Einwohner des südostasiatischen Insel-Archipels bekennen sich heute zum Katholizismus, weitere fünf Prozent sind Protestanten - neben Osttimor sind sie damit das einzige christlich geprägte asiatische Land.Lange vor der gestrigen Ankunft von Papst Franziskus war eine regelrechte "Pope-Mania" ausgebrochen: Zeitungen und TV-Kanäle überbieten sich seit Wochen gegenseitig mit Vorberichten, während der Verkehr in der Hauptstadt Manila bereits vorab zum Erliegen kam, obwohl fünftägige Papstferien verfügt und Schulen und Büros geschlossen wurden.

Allein sechs Millionen wollen am Sonntag zur Papstmesse im Rizal Park - Manila ist im Francis-Fever.

Die Glaubensbereitschaft der Filipinos ist kolossal und wird durch Entbehrungen immer wieder neu genährt: Jedes Jahr verwüsten Taifune das Land und machen zahllose Familien mittellos. Gleichzeitig lebt ein Drittel unterhalb der Armutsgrenze. Doch nicht allein, weil dies Trost spendet, prägt der Glaube den Alltag. Nicht selten ist er mit tief verwurzelten, animistischen Vorstellungen gepaart, in denen Naturgeister und Wunderheiler eine Rolle spielen und der Aberglaube selten fern ist. Kirchen sind auch wochentags voll, laut Umfragen besuchen Zweidrittel der Bürger mindestens einmal die Woche eine Messe. Im Straßenbild stößt man überall auf kleine Altäre mit Marienstatuen und Santo Ninios, Kitschversionen des Jesuskinds. Gerade nahmen wieder über eine Million Gläubige an einer berühmten Massenprozession teil, bei der sie eine Christusfigur ("der schwarze Nazarener") durch Manila tragen. Die Religion ist neben dem ausgeprägten Familiensinn der Filipinos der wichtigste soziale Kitt, weshalb die Politik sich ihr gerne andient oder sich ihrer bedient.

Dass die äußerst einflussreiche katholische Kirche in Glaubensfragen als sakrosankt gilt, wird begünstigt durch eine ausgeprägte Autoritätsgläubigkeit im Land. Dazu passt, dass die große Mehrheit einer wortgetreuen Bibelauslegung anhängt. Zwar hat die Kirche wiederholt Missstände (ob das eklatante Sozialgefälle, die seuchenhafte Korruption oder den Dauerkonflikt im muslimischen Mindanao) angeprangert, gleichzeitig aber hat sie jahrelang mit allen Mitteln eine überfällige Liberalisierung der Geburtenkontrolle torpediert. Präsident Ninoy Aquino, der sie 2014 durchsetzen konnte, wurde mit Exkommunizierung gedroht.

Zahlreiche Freikirchen umgarnen das Volk und leben finanziell gut von der mittelalterlichen Praxis des Zehnten, den ihre Mitglieder aufzubringen haben. Neben El Shaddai genießt vor allem die Iglesia Ni Cristo mit ihren über ganz Manila verteilten pastellfarbenen Einheitskirchen millionenhaften Zulauf. Sie steht im Verdacht, die Stimmen ihrer Mitglieder bei Wahlen meistbietend zu verkaufen und ködert damit, Jobs zu vermitteln. Vor allem die großen Kirchen, die katholische und die protestantische, pflegen ein reges Gemeindeleben. Sie federn die fehlende staatliche Fürsorge ab und wirken neben der in dieser Hinsicht maßgeblichen Familie als Bindeglied für unzählige Benachteiligte.

Reiche stellen auf den Philippinen gerne ihre Frömmigkeit aus, um dann wieder ihrer Skrupellosigkeit zu frönen. Hoffentlich spricht der Papst diese bigotte Moral, diese Heuchelei an, die vor keiner Pforte haltmacht.

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