Der Lack ist schon ab

Nach dem Brüsseler Flüchtlings-Deal vom vorigen Freitag sprach der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu von einer historischen Vereinbarung. Doch schon jetzt blättert der Lack ab: Bei der geplanten Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei sind viele Fragen unbeantwortet, obwohl das Verfahren schon in zehn Tagen starten soll.Mit Fährschiffen sollen die Flüchtlinge ab Anfang April zurückgebracht werden.

Doch was danach mit ihnen geschehen soll, ist unklar. Ankara hat angekündigt, die Rückkehrer in Lager zu transportieren. Aber es gibt kaum freie Plätze in den bestehenden Auffang-Einrichtungen, und vom Bau neuer Camps ist nichts zu sehen. Außerdem will man Flüchtlinge aus Staaten wie Afghanistan so schnell wie möglich in ihre jeweiligen Heimatländer abschieben. Menschenrechtler üben scharfe Kritik an dem Verfahren - ganz zu schweigen davon, dass die dafür nötigen Verträge noch gar nicht ausgehandelt sind.

In der Türkei selbst können die Flüchtlinge nicht um Asyl bitten, weil Ankara bei der Zustimmung zum betreffenden UN-Regelwerk entsprechende Ausnahmen festschreiben ließ. Doch wie es aussieht, werden viele Rückkehrer auf lange Zeit in der Türkei bleiben. Wie allerdings innerhalb von zwei Wochen die nötigen Wohnungen, Schulen, Klinikplätze und Arbeitsmöglichkeiten organisiert werden sollen, weiß niemand.

Zweifel gibt es auch an der Gerechtigkeit des Verfahrens, mit dem die Europäische Union unter den Syrern in der Türkei diejenigen auswählen will, die nach Europa übersiedeln dürfen. Davutoglu betonte nach dem Gipfel, die Türkei werde bei der Auswahl ein Mitspracherecht haben. Dennoch befürchtet die Opposition in Ankara, dass sich die EU besonders die jungen, gesunden und gut ausgebildeten Menschen herauspicken will.

Auf europäischer Seite kann angesichts der Probleme und Unklarheiten niemand behaupten, dies während der Verhandlungen mit der türkischen Regierung nicht gewusst zu haben: Menschenrechtler und Oppositionspolitiker weisen schon seit langem auf die Defizite der türkischen Asylpolitik hin. Doch Europa wollte unbedingt eine rasche Einigung und sah deshalb über die zu erwartenden Schwierigkeiten einfach hinweg.

Deshalb ist es nun umso wichtiger, die Brüsseler Vereinbarung nicht an einer mangelhaften Umsetzung scheitern zu lassen. Eine menschenwürdige Unterbringung der Rückkehrer, der Schutz vor willkürlicher Abschiebung in die Heimat und eine ausreichende Versorgung für Kinder, Alte und Kranke kann mit Hilfe der EU in der Türkei aufgebaut werden. Das wird zwar dauern und hätte eigentlich schon beginnen müssen. Doch später ist besser als nie - schließlich geht es um Menschen, die viel Leid und Entbehrung hinter sich haben.

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