Kronprinz Mohammed bin Salman Er allein entscheidet über das Schicksal der Saudis

Riad · Einige der Frauen waren unverschleiert, andere selbst mit dem Auto zu dem Rennen der Formel E gefahren. Nach dem Wettstreit der Elektroautos feierten junge Menschen aus Saudi-Arabien mit Besuchern aus aller Welt bis tief in die Nacht auf einem Konzert mit internationalen Topstars wie Enrique Iglesias, The Black Eyed Peas und David Guetta.

 Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

Foto: dpa/-

Das Event verkörpert die Vision der von Kronprinz Mohammed bin Salman verordneten Reformen. Das Spektakel wäre bis vor kurzem noch undenkbar gewesen im ultrakonservativen Königreich, wo die Religionspolizei auf eine strikte Geschlechtertrennung achtete und in Restaurants nachdrücklich das Abstellen von Musik durchsetzte. Inzwischen hat Saudi-Arabien als letztes Land der Welt das Fahrverbot für Frauen aufgehoben. Sogar das erste Kino des Landes öffnete im April seine Türen.

Aber es gibt auch klare Grenzen für die Reformen. Das zeigten die brutale Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi durch Agenten aus dem Umfeld des Kronprinzen im Oktober und die wahrscheinliche Folter von inhaftierten Frauenrechtlerinnen. Während sich der Platz für Spaß und Unterhaltung vergrößert, ist der Raum für politisches Engagement und abweichende Meinungen offenbar verschwunden. Der 33 Jahre alte Kronprinz, der von seinem Vater, König Salman, gestützt wird, entscheidet allein über Geschwindigkeit und Richtung des Wandels.

Wie populär der Kronprinz tatsächlich in seiner Heimat ist, ist schwer zu sagen. Viele schrecken vor Kritik an der Führung zurück. Doch seine Reformen sind populär, wünschen sich doch viele junge Menschen ein bisschen von der Glitzerwelt und der Unterhaltung wie im benachbarten Dubai oder in Abu Dhabi. „Das ist eine große Veränderung, und wir sind stolz darauf“, sagt Abdelrahman al-Mahmud. Der Kronprinz sei der populärste Mensch in Saudi-Arabien, erklärt der 29-Jährige. Doch wenn man nachfragt, was er über die Ermordung Khashoggis denkt, verkrampft Al-Mahmud und sagt, er wolle nicht über Politik sprechen.

Der Tod Khashoggis, der im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet und zerstückelt wurde, scheint weit entfernt von der sorgenfreien Atmosphäre beim Autorennen in der Hauptstadt. Auf dem Konzert mit David Guetta skandieren die Besucher später: „Lang lebe Salman!“

Am anderen Ende der Stadt sitzen drei prominente Frauenrechtlerinnen im Gefängnis. Sie wurden im Mai verhaftet, von maskierten Männern verhört, missbraucht und gefoltert und kürzlich nach Riad überstellt. Fünf unterschiedliche Personen, die aus Angst vor Repressalien anonym bleiben wollen, berichten, dass die Frauen nicht nur geschlagen und mit Elektroschocks traktiert, sondern zum Teil auch gegen ihren Willen geküsst worden seien. Mindestens eine sei einem Waterboarding unterzogen worden. Die Regierung nennt die Vorwürfe „schlichtweg falsch“.

Der vage Vorwurf gegen die Aktivistinnen lautet Verbrechen im Zusammenhang mit der Sicherheit des Staates. Dass solche Verhaftungen nicht mit der Reform-Agenda des Kronprinzen zusammenpassen, darüber hatte Khashoggi vor seiner Ermordung in seinen Kolumnen für die „Washington Post“ geschrieben. Sein Tod hat das internationale Ansehen des Prinzen stark geschädigt, war er doch der Führer eines Wandels, auf den die Verbündeten im Westen so lange gehofft hatten.

Hinter den Reformen stehen auch knallharte wirtschaftliche Interessen. Saudi-Arabien braucht unbedingt neue Impulse. Der Ölpreis ist niedrig, während die Arbeitslosigkeit mittlerweile bei fast 13 Prozent liegt. Die Kosten für Strom und Wasser explodieren, weil die Subventionen zurückgefahren wurden. 

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