Der Krieg des Präsidenten

Meinung · Fünf Jahre nach Beginn des Irak-Krieges lässt sich der amerikanischen Invasion die erste historische Perspektive abgewinnen. Der erste Blick fällt am weitesten zurück - in die Tage nach dem 11. September 2001, als die Neokonservativen eifrig bemüht waren, Saddam Hussein mit dem Terror der Al Qaida in Verbindung zu bringen

Fünf Jahre nach Beginn des Irak-Krieges lässt sich der amerikanischen Invasion die erste historische Perspektive abgewinnen. Der erste Blick fällt am weitesten zurück - in die Tage nach dem 11. September 2001, als die Neokonservativen eifrig bemüht waren, Saddam Hussein mit dem Terror der Al Qaida in Verbindung zu bringen. Die Angstmacherei vor den angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak gipfelte in der Warnung vor einem Atompilz über einer amerikanischen Stadt. Verbunden mit der Behauptung, man habe "eindeutige Beweise" für eine Kooperation zwischen dem irakischen Diktator und den Terroristen. Eine betäubende Mischung für den Verstand einer traumatisierten Nation.Beide Argumente erwiesen sich nach dem Krieg als falsch. Doch auch vorher gab es genügend Fakten, die Zweifel wecken mussten. Die Invasion erwuchs nicht aus einer Notwendigkeit, sondern aus dem politischen Wollen des Präsidenten. Es war der Krieg von George W. Bush.Umso schwerer wiegt der zweite Blick, der sich mit der Invasion und Besatzung selbst befasst. Obwohl es an kompetenten Ratgebern nicht mangelte, traf Bush eine stümperhafte Entscheidung: Ohne Konzept für die Zeit nach dem Krieg schickte er eine viel zu kleine Streitmacht in ein fremdes Land. In diesem Kontext müssen auch der Gefangenen-Skandal von Abu Ghraib und das Wildwest-Gehabe angeheuerter Söldner gesehen werden. All das zeugt von der Überforderung einer Regierung, deren Unfähigkeit dem Ansehen der USA mehr geschadet hat als der krude Anti-Amerikanismus, der unter Bush weltweit Auferstehung feierte.Der dritte Blick richtet sich auf die Anzeige an den Zapfsäulen. In den USA kostet das Benzin heute dreimal so viel wie zu Beginn des Kriegs - Symbol für das strategische Desaster des Präsidenten. Denn geopolitisch erreichte Bush das Gegenteil von dem, was er einmal versprach. Statt den Nahen Osten zu demokratisieren, fielen die Dominosteine in die andere Richtung. Die Palästinenserfrage bleibt ungelöst, der Iran ist erstarkt und Israel mehr gefährdet als zuvor. Fünf Jahre nach Beginn des Irak-Kriegs steht der US-Präsident vor dem Scherbenhaufen seiner Politik. Ohne Aussicht auf einen Durchbruch im Nahen Osten. Dafür mit enormen Konsequenzen daheim. Die aufgehäuften Defizite - verbunden mit schwachem Dollarkurs und teurem Öl - haben ihren Anteil an einer wirtschaftlichen Rezession, die viele Amerikaner heute zwingt, den Gürtel enger zu schnallen. Der schwache Trost: Es wird der letzte Jahrestag sein, an dem George W. Bush für den weiteren Kurs der Vereinigten Staaten verantwortlich ist.

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