Der kleine Neger Jim Knopf

Meinung · Ist die Zensurmaschine der Political Correctness dabei, die Literatur zu schreddern? Sollen unsere Kinderbücher durch orwellschen Neusprech ihrer Seele beraubt werden? Nein, sicher nicht. Deutsche Verlage haben nur angekündigt, heute als verletzend angesehene Wörter in Kinderbuch-Klassikern durch zeitgemäßere zu ersetzen

Ist die Zensurmaschine der Political Correctness dabei, die Literatur zu schreddern? Sollen unsere Kinderbücher durch orwellschen Neusprech ihrer Seele beraubt werden? Nein, sicher nicht. Deutsche Verlage haben nur angekündigt, heute als verletzend angesehene Wörter in Kinderbuch-Klassikern durch zeitgemäßere zu ersetzen. Nicht ohne Grund: Warum die Vorbehalte gegen einige veraltete Wörter ernst zu nehmen sind, merkt man selbst beim Vorlesen: Eltern geraten bei Jim Knopf oder Pippi Langstrumpf irgendwann ins Stocken. Auch ich habe dabei den "Negerkönig", als er bei Pippi Langstrumpf erstmals auftauchte, unbeholfen zum "König der Eingeborenen" gemacht. Denn natürlich sollen die Kinder ein Wort, das von vielen Menschen als Beleidigung empfunden und von Rassisten auch so gemeint wird, nicht verwenden. Ein paar Sätze weiter rutschte es beim Vorlesen dann doch raus. Es folgte ein fruchtbarer Exkurs über das Wort Neger und den Umgang mit Menschen anderer Hautfarbe. Die beiden kleinen Zuhörer haben das verstanden! Daher hat später bei uns das Postschiff auch einen "kleinen Neger" nach Lummerland gebracht - und keinen "Schwarzen" oder "Afrikaner".Ums Erklären kommt der Vorleser, ums Nachfragen der Selbstleser bei älteren literarischen Werken eben kaum herum. Das gilt auch bei Erich Kästner, wenn Emil und seine Detektive im Berlin der 20er Jahre ermitteln. Natürlich könnte man hier aus Setzmaschinen Computer machen, damit das die Kinder heute besser verstehen. Es geht hier aber nicht um Kochbücher, sondern herausragende Werke der Literatur. Wann beginnt da die Fälschung? Ulrich Greiner hat in der "Zeit" gerade aufgezeigt, wie bei Jim Knopf ganze Dialoge ihren Sinn verlieren und umgeschrieben werden müssen, wenn einmal "Neger" durch "Schwarzer" ersetzt wird.

Es kommen laufend neue, lehrreiche Kinderbücher in moderner Sprache heraus, die in der heutigen Lebenswirklichkeit spielen, das sieht man auf der Saarbrücker Jugendbuchmesse. Es sind nicht zuletzt die Eltern, die ihren Kindern die wenigen Klassiker zu lesen geben oder vorlesen. Weil sie eine Verbindung über die Generationen schaffen, einen gemeinsamen Schatz an Geschichten, eine Vorstellung, worauf es im Leben ankommt. Diese Bücher muss man nicht verändern, sondern erklären. Denn hier zählt nicht die Wortwahl, sondern der Geist. Viele Bücher, die früher Generationen als Kind gelesen haben, sind zum Glück vergessen. Pippi und die kleine Hexe aber - die mögen keine Rassisten. Kinder, die mit Lukas und seiner Lokomotive nach Mandala gereist sind, werden einen Menschen schwarzer Hautfarbe nie "Neger" schimpfen, auch wenn das Wort im Buch steht. Dafür lieben sie Jim Knopf viel zu sehr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort