Der Kandidat bleibt ohne Fehler - und ohne Glück

Washington. Es war eine der letzten Chancen für John McCain, dem US-Wahlkampf noch eine Wende zu geben. Der Republikaner versuchte es beim zweiten TV-Duell vor zig Millionen Zuschauern mit Härte und Emotion

Washington. Es war eine der letzten Chancen für John McCain, dem US-Wahlkampf noch eine Wende zu geben. Der Republikaner versuchte es beim zweiten TV-Duell vor zig Millionen Zuschauern mit Härte und Emotion. Mit warmer, fast einschmeichelnder Stimme beschwor er die 80 Diskussionsteilnehmer in der Belmont Universität von Nashville, auf Amerikas Stärken zu vertrauen, auf ein Amerika, das noch immer "die wichtigste Quelle für das Gute in der Welt" ist. Zugleich aber warnte der 72-Jährige mit eindringlicher Stimme vor der Unerfahrenheit von "dem da", der den Bürgern mit mehr Regierung und neuen Steuern drohe. "Der da", Barack Obama nämlich, konnte gelassen auf die Angriffslust seines Konkurrenten reagieren. Schließlich liegt er vier Wochen vor der Wahl in Umfragen deutlich vor dem Republikaner. Obama blieb "ruhig und präsidial", wie ein Kommentator des Senders MSNBC bilanzierte. Der 47-jährige Demokrat rückte McCain immer wieder in die Nähe des unbeliebten Präsidenten George W. Bush. Und Obama widersprach erneut vehement der Darstellung, er werde die Steuern erhöhen. Nur die reichsten fünf Prozent müssten mehr zahlen - das sei ein "Gebot der Fairness". Steuererleichterungen für die breite Masse würden dagegen die Wirtschaft wieder ankurbeln. Obama fühlte sich so stark, dass er sogar die Vorwürfe seines Rivalen zitierte. "Senator McCain suggeriert, ich wäre noch grün hinter den Ohren." Sich selbst dagegen zeichne der Republikaner als "ernst und verantwortlich". Was Obama zu dem Hinweis veranlasst, dass McCain noch vor gar nicht langer Zeit "die Vernichtung Nordkoreas gefordert hat". Der Senator aus Arizona versuchte zwar mit allen Mitteln zu punkten. Obwohl McCain ein Wirtschaftsliberaler mit großem Vertrauen in die Marktkräfte und ein Gegner ausufernder Staatsausgaben ist, kündigte er ein gigantisches staatliches Hilfsprogramm für Amerikas Hausbesitzer an. Er werde allen Familien helfen, die wegen ihrer Hypothekenlast in Zahlungsschwierigkeiten geraten seien, versprach er. Die Kosten: 300 Milliarden Dollar aus der Staatskasse. Generell suchte McCain den Angriff, verkniff sich aber Tiefschläge. Diese hatte zuletzt seine Vizekandidatin Sarah Palin gelandet, als sie Obama Nähe zu Terroristen zu unterstellte. McCain jedoch wusste, dass ihm das schaden würde. Mit den Sachthemen stieß er allerdings auf kühle Erwiderungen und Argumente Obamas. Und selbst als es um McCains Domäne ging, die Außenpolitik, konnte sich der 72-Jährige kaum wirkungsvoll in Szene setzen. Denn auch hier gelangen Obama geschickte Konter. McCain vermied zwar Fehler, aber das war in seiner Lage viel zu wenig: Die Umfragen signalisierten, dass er auch die zweite TV-Debatte nicht für sich entscheiden konnte. Bei den Republikaner läuten derzeit die Alarmglocken. McCains Wahlkampflager "hat den Blues", titelte das Boulevard-Blatt "Daily News". Soll heißen: Die Stimmung trübt sich ein, Pessimismus breitet sich aus. Noch steht allerdings die letzte der drei TV-Debatten am nächsten Mittwoch aus. Und noch hoffen die Republikaner auf eine "Oktober-Überraschung" - ein Ereignis, das alles auf den Kopf stellt. Vor vier Jahren tauchte kurz vor der Präsidentenwahl ein neues Video von El-Kaida-Chef Osama bin Laden auf, in dem er den USA wild drohte. Bush gewann damals recht knapp gegen den Demokraten John Kerry. Diesmal wird es offenbar noch enger für die Republikaner.

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