Der harte Weg lohnt

Der Versuch, die Wirtschaftsdaten der Brüsseler Kommission mit den Augen der Griechen zu lesen, muss frustrieren: Während es in den meisten EU-Ländern konjunkturell blüht, wie Finanzkommissar Moscovici gestern in seiner Frühjahrsprognose mitteilen konnte, scheint bei den Hellenen weit und breit kein Anzeichen von Frühling erkennbar zu sein.

Selbst die für das kommende Jahr vorhergesagten Zuwachsraten stehen in den Sternen und hängen davon ab, ob die Athener Regierung nun endlich auf einen verlässlichen Kurs zurückfindet.

Dabei würde es sich allerdings lohnen, die Statistiken etwas genauer anzusehen, denn sie enthalten so etwas wie einen Fingerzeig, der mit einer politischen Botschaft verknüpft ist: Nahezu alle Länder Europas, die in den Vorjahren unter den Rettungsschirm geflüchtet sind und mit Gemeinschaftsmitteln aufgepäppelt werden mussten, können nun auf erträgliche Zuwachsraten hoffen - und so die Früchte der Anstrengungen ernten. Irland, Spanien, sogar Portugal und Zypern stehen ordentlich im Wind. Auch die Slowakei, die man schon abgeschrieben hatte, verzeichnet ein Plus von drei Prozent. Eine Rosskur staatlicher Reformen , der Umbaus der Verwaltung und des Arbeitsmarktes - all das zahlt sich nun aus. Und selbst das Baltikum, das die Wende nach einer vergleichbaren Krise aus eigener Kraft geschafft hat, gehört heute - wenn auch von einem niedrigen Niveau aus - zu den Regionen der Gemeinschaft, in denen Wachstum generiert wird.

Athen könnte also, wenn es denn wollte, durchaus genügend Lehrbeispiele finden, die deutlich machen, dass sich der harte Weg lohnt. Dagegen zeigt die Entwicklung von Schwergewichten wie Italien und Frankreich, dass das Verschlafen und Vermeiden tiefer Eingriffe ein Land nicht wirklich vorwärts bringt. Europa, das sich auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in die Hand versprochen hat, gemeinsam die Wettbewerbsfähigkeit aller zu verbessern und dabei von anderen zu lernen, hat die Lektion offenbar immer noch nicht verstanden. Dabei sind es die Arbeitnehmer, die für staatliche Versäumnisse mit unsicheren, wenn nicht gar wegbrechenden Jobs bezahlen.

Vor diesem Hintergrund werden die Debatten um angeblich unvermeidbare Neuverschuldungen, Überziehen der Defizite und noch mehr Zeitgewinn zur Vermeidung unangenehmer Reformen wieder an Fahrt gewinnen. Europa ist von der Wirtschaftsunion, die man werden wollte, weit entfernt. Und das liegt nicht an der Weltkonjunktur. Die günstigen Rahmenbedingungen wie Abwertung des Euro und der drastisch gesunkene Ölpreis hätten es leicht gemacht, Reformen anzugehen und trotzdem zu wachsen. Diese Chance wurde vertan.

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