Der Geschmack der Niederlage

Meinung · So schnell kann's gehen: Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Gestern noch wie der gefühlte Weltmeister, heute eine "Gurkentruppe". Nein, die Rede ist nicht von der Nationalmannschaft, die ihr Spiel gegen Serbien vergeigt hat und wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt ist. Sondern von der schwarz-gelben Koalition in Berlin, die offenbar nichts mehr auf die Reihe kriegt

So schnell kann's gehen: Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Gestern noch wie der gefühlte Weltmeister, heute eine "Gurkentruppe". Nein, die Rede ist nicht von der Nationalmannschaft, die ihr Spiel gegen Serbien vergeigt hat und wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt ist. Sondern von der schwarz-gelben Koalition in Berlin, die offenbar nichts mehr auf die Reihe kriegt.Union und FDP erhalten nun die Quittung für ihre stümperhafte Arbeit in den ersten acht Monaten nach dem grandiosen Wahlsieg. Es ist der Geschmack der Niederlage, den die Umfragen vermitteln. Es war ja zu erwarten, dass die Bürger sich mit Grausen abwenden würden, doch dieser schwarz-gelbe Absturz ist von dramatischem Ausmaß. Die Union nähert sich dem SPD-Niveau auf Hartz-IV-Basis an, und die FDP ist mittlerweile sogar dort gelandet, wo sie nie mehr hin wollte: an der Fünf-Prozent-Schwelle. Der demoskopische Befund ist ein krasser Vertrauensentzug der Bürger, die bitter enttäuscht sind von einer Koalition, von der sie sich so viel versprochen haben. Die Gründe für die Malaise sind hinlänglich beschrieben worden, und immerhin werden nun erste Konsequenzen gezogen: FDP-Chef Westerwelle, der sich durch seine steuerpolitische Verblendung und blinde Realitätsverweigerung ins Abseits manövriert hat, ist bemerkenswert still geworden. Seine Partei bereitet gerade einen Kurswechsel vor, mit der die Ein-Themen-Partei bisheriger Prägung beerdigt werden soll. Das ist ein vernünftiger Ansatz und wenn man so will: ein letzter Rettungsversuch. Die Frage ist nur, ob sich die Neu-Orientierung auf die aktuelle Regierungspolitik auswirkt, die bislang Struktur, System und Stil vermissen lässt. Große Hoffnung auf Besserung scheint indes nicht angebracht, denn gerade die Bundeskanzlerin, die ihrem Kabinett eigentlich die Richtung vorgeben soll, ist sichtlich überfordert. Merkel, in der großen Koalition noch solide souverän, wirkt jetzt plan- und hilflos. Was noch schwerer wiegt: In der ausgelaugten Union ist niemand da, dem man zutrauen würde, es besser zu machen. Mag sein, dass die Wahl des Bundespräsidenten am 30. Juni der Koalition etwas Luft verschafft - wenn der Kandidat Wulff denn gewählt wird. Auch das fragwürdige rot-grüne Experiment in Nordrhein-Westfalen könnte dazu beitragen, den Absturz der Berliner Regierungsparteien zu stoppen oder zumindest davon abzulenken. So wie Deutschlands Elite-Kicker haben auch die Koalitionäre noch immer die Chance, mit einer Energie-Leistung den Umschwung einzuleiten. Wenn der Aufbruch nicht gelingt, werden beide vorzeitig ausscheiden.

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