Der dubiose Milliarden-Deal und das Bauernopfer

Stuttgart. Landtagspräsident Willi Stächele (CDU), derzeit auf Dienstreise in Rumänien, wird rechtzeitig zum Urteil des Staatsgerichtshofs zurück sein. Ob er weiterhin der zweithöchste Repräsentant Baden-Württembergs sein darf, hängt auch von dem Stuttgarter Richterspruch ab. Denn Stächele war es, der in der Nacht vom 5. auf den 6

Stuttgart. Landtagspräsident Willi Stächele (CDU), derzeit auf Dienstreise in Rumänien, wird rechtzeitig zum Urteil des Staatsgerichtshofs zurück sein. Ob er weiterhin der zweithöchste Repräsentant Baden-Württembergs sein darf, hängt auch von dem Stuttgarter Richterspruch ab. Denn Stächele war es, der in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2010 als Finanzminister der damaligen schwarz-gelben Regierung seine Unterschrift dafür gab, per "Notbewilligungsrecht" 46,5 Prozent der Aktien am Karlsruher Strom-Riesen EnBW für knapp fünf Milliarden Euro zu erwerben. Der Kauf geschah über Kredite, die der Landtag im Nachhinein absichern musste.Doch nicht deshalb klagte die damalige Opposition von SPD und Grünen. Sie halten vielmehr den Ankauf am Parlament vorbei grundsätzlich für verfassungswidrig. Das Notbewilligungsrecht, so ihre Argumentation, sei für Überschwemmungen und Erdrutsche vorgesehen, nicht aber für heimlich eingefädelte Geschäfte.

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte die Nacht- und Nebelaktion damit begründet, dass der Verkäufer der Anteile, der französische Konzern Electricité de France, auf eiserne Verschwiegenheit gepocht habe. Auch Mappus' Freund und Berater in der Sache, der Investmentbanker Dirk Notheis, hatte energisch zu Geheimdiplomatie geraten, weil sonst der Kaufpreis steige. So präsentierte Mappus an jenem Montag, nachdem nachts die letzten Dinge besprochen und die Schriftstücke unterzeichnet worden waren, völlig überraschend den Milliarden-Deal und sprach von einem "guten Tag".

Die "schwäbische Hausfrau" werde ihre Freude daran haben, strahlte der Regierungschef im Bewusstsein der wenige Wochen zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung für Atommeiler. Hatte die EnBW doch den höchsten Atomstrom-Anteil unter den deutschen Energie-Riesen. Doch dann kam alles anders. Durch strategische Fehler der EnBW, den Atomausstieg und den notwendig gewordenen Umbau des Konzern-Portfolios sank der Wert der Aktie von einst 41,50 Euro zeitweise bis auf 32 Euro. Mit der gesunkenen Dividende aus dem Aktienpaket sind kaum Zins und Tilgung zu bestreiten.

In der heutigen Verhandlung des Staatsgerichtshofs sollen die neun Richter beurteilen, ob Stächele durch seine Unterschrift gegen die Verfassung verstoßen hat. Einen Anfangsverdacht auf "Vermögensgefährdung", also Untreue, hatte die Staatsanwaltschaft bereits verneint. Noch in der Nacht zum 6. Dezember hatte Stächele eine Gedächtnisnotiz verfertigt. Was genau darin steht, ob und, wenn ja, womit er von Mappus und Notheis unter Druck gesetzt wurde, ist der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt. Auf einen Untersuchungsausschuss verzichten die heutigen Regierungsparteien dennoch. Der Staatsgerichtshof soll es richten.

Doch selbst wenn dieser die Rechtswidrigkeit des Ankaufs feststellen würde, ist die einzige Waffe des Parlaments eine Rüge: Stefan Mappus betreibt inzwischen Pharma-Geschäfte in Südamerika. Willi Stächele aber könnte über seine Unterschrift als Finanzminister stolpern. Das zumindest deutete SPD-Landeschef Nils Schmid an. "Staatspolitisch", sagt auch ein baden-württembergischer Grüner, werde es der letzte der CDU-Granden im Ländle wohl kaum überleben. Unklar ist, ob die eigene Partei Stächele im Falle eines Schuldspruchs noch die Stange halten würde.

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