Der Drache pflanzt Fahnen in tiefer See

Peking. Es ist eine Eroberungsgeste aus alten Zeiten - mit den Mitteln der Hochtechnologie: China hat am Donnerstag mit einem U-Boot seine Flagge in den Grund des Südchinesischen Meeres gerammt. "Einige Länder mögen sich provoziert fühlen, aber das macht nichts", erklärte Zhao Junhai, Entwickler des Forschungs-Tauchschiffs "Seedrachen"

Peking. Es ist eine Eroberungsgeste aus alten Zeiten - mit den Mitteln der Hochtechnologie: China hat am Donnerstag mit einem U-Boot seine Flagge in den Grund des Südchinesischen Meeres gerammt. "Einige Länder mögen sich provoziert fühlen, aber das macht nichts", erklärte Zhao Junhai, Entwickler des Forschungs-Tauchschiffs "Seedrachen". "Das Südchinesische Meer gehört China, und ich möchte denjenigen sehen, der sich traut, das anzuzweifeln." Neben China erheben aber auch Vietnam, Malaysia, die Philippinen, Brunei und Taiwan Ansprüche auf Teile des Meeres - und vor allem auf die großen vermuteten Öl- und Gasvorkommen. Für die Volksrepublik wird der Konflikt zum Testfall für ihre außenpolitischen Ambitionen. Bisher hat die Pekinger Regierung ihren Nachbarn stets versichert, von China gehe keine militärische Bedrohung aus - trotz eines beständig wachsenden Verteidigungshaushalts. Doch im Südchinesischen Meer liegt der Vorwurf aggressiver Expansionsbestrebungen nahe. Auf der Karte betrachtet sieht Chinas Anspruch kaum überzeugend aus: Peking beansprucht vier Fünftel des Meergebiets für sich und zieht seine Landesgrenze bis kurz vor die Küste der Nachbarländer. China rechtfertigt dies mit der Existenz tausender kleiner Inseln, die traditionell chinesisches Territorium seien. Tatsächlich sind die meisten jedoch unbewohnt und viele der größeren unter der Kontrolle anderer Länder. Auch nach dem geltenden Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das jedem Land vor seiner Küste eine 200 Seemeilen weit reichende, exklusive Wirtschaftszone zugesteht, hat die Volksrepublik nur Anrecht auf einen kleinen Teil des beanspruchten Gebiets. Doch was der Volksrepublik an Legitimation fehlt, versucht sie durch politisches Gewicht wettzumachen. Anfangs setzte Peking die Herrschaft über das Südchinesische Meer auf die Liste der "chinesischen Kerninteressen" und damit auf eine Ebene mit dem Anspruch auf Tibet und Taiwan. Die politische Botschaft war eindeutig: Ausländische Zweifel an Chinas Anrecht werden von Peking künftig genauso vehement verurteilt wie Treffen mit dem Dalai Lama oder Waffenlieferungen an Taipeh. Doch womöglich hat Peking die Auswirkungen unterschätzt. "Mit seinen aggressiven Worten hat Peking sich diplomatisch isoliert", glaubt Carl Thayer von der Australischen Verteidigungsakademie in Canberra. "Die südostasiatischen Staaten sehen Chinas wachsende Macht mit großes Sorgen und suchen nach einem Gegengewicht."Sie fanden es in den USA. Im Juli erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton die Seerechtsfragen in der Region zu einem "nationalen Interesse der USA". Anfang August lud das US-Verteidigungsministerium demonstrativ vietnamesische Militärs auf ein US-Kriegsschiff ein, das durch die Südchinesische See passierte. Für die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Washington und Peking ist das Thema eine weitere Belastung. Chinas Diplomaten legten die Vorbereitungen für einen Staatsbesuch ihres Präsident Hu Jintao in den USA kurzerhand auf Eis. Shi Yinhong, Professor an der Peking Volksuniversität, sieht eine "dramatische Expansion an Konfliktpunkten" zwischen beiden Ländern. Doch Peking will sich keine Blöße geben. Das angebliche Forschungsschiff "Seedrache" soll weiter Flaggen aufstellen, kündigte Projektchef Zhao Junhai an - und zwar bis an die philippinische Grenze.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort