Der Anti-Mehdorn macht bislang wenig falsch

Berlin · Als er sein Chefbüro bezieht, steht alles schon fest: Wer was baut, wie es zu bauen ist und wann es fertig zu sein hat. Es gibt Chefs mit mehr Bewegungsfreiheit als Karsten Mühlenfeld, der seit 100 Tagen auf einem der gefürchtetsten Managerposten der Republik sitzt: dem Vorsitz der Geschäftsführung der Berlin-Brandenburger Flughafengesellschaft.

So kann man es sehen. Man kann es aber auch anders sehen: Mühlenfelds eigentliche Aufgabe ist eine andere, und er füllt sie in den ersten Monaten ganz anders aus als sein umtriebiger Vorgänger Hartmut Mehdorn . Sachlich und auf Ausgleich bedacht, aber auch ohne große neue Pläne und Visionen.

Frühestens im Sommer 2016 - wenn das bisher Geplante fertig gebaut ist und getestet wird - soll ein zusätzliches Terminal geplant werden, ein einfacher Behelfsbau, mehr erstmal nicht. Denn dass der Berliner Luftverkehr wächst und der drittgrößte deutsche Flughafen inzwischen zu klein geplant ist, hat sich mit dem Wechsel von Mehdorn zu Mühlenfeld nicht geändert.

Bei seinen ersten Auftritten wirkt der Maschinenbauer mit dem Bürstenschnitt mitunter etwas aufgekratzt. Seine Sätze, schnell dahinberlinert, kommen leichtfüßig rüber, auch mal flapsig. Das überdeckt, dass der 52-Jährige die Herausforderungen auf der berüchtigten Baustelle sehr nüchtern betrachtet und gedankenschnell argumentiert. Mühlenfeld überlegt sich gut, was er sagt, hält den Flughafen damit aus den Schlagzeilen. Anders als der streitlustige Mehdorn, der immer wieder mit den Kopf durch die Wand wollte.

"Guter Start auf schwierigem Terrain", quittiert der amtierende Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider. "Es gibt nicht viel zu meckern", gibt auch Martin Delius von der Piratenpartei zu, der Vorsitzende des Flughafen-Untersuchungsausschusses. Er hält dem 52-Jährigen zugute, dass er Ruhe in das Projekt brachte und den Vorgaben des Aufsichtsrats folgt - in normalen Unternehmen eine Selbstverständlichkeit.

Das Umfeld ist schon seit einigen Monaten zufriedener. Brandenburgs Verkehrsministerin Kathrin Schneider lobte bereits vor Wochen, dass die Zusammenarbeit sehr viel besser geworden sei. Landrat Stephan Loge, dessen Bauordnungsamt den Flughafen abnimmt, sagt: "Wir sind jetzt langsam in der Gewohnheit, dass Termine eingehalten werden." Das aber hat vor allem mit Technikchef Jörg Marks zu tun, der seit August für die Baustelle zuständig ist. Mühlenfeld soll das Projekt vor allem nach außen vertreten - und damit auch das Umfeld befrieden. Erst gut 2000 von 25 000 berechtigten Berliner Haushalten haben Schallschutz. Aufsichtsrat Bretschneider wünscht seinem Geschäftsführer denn auch, beim Lärmschutz nicht den Mut zu verlieren.

Etwas fehlt den Politikern im Aufsichtsrat jedoch, seit Mühlenfeld im Amt ist: ein Prellbock für die öffentliche Kritik. Mehdorn zog gern alle Pfeile auf sich, während die Aufseher in Deckung gingen. Der Neue bietet bisher kaum Angriffsfläche. Als durchsickert, dass der Bund in Brüssel vorsorglich schon den Weg für weitere Mehrausgaben ebnet, kommt es daher prompt zum offenen Streit zwischen den Eigentümern Bund, Berlin und Brandenburg. Eins hat Mühlenfeld aus Delius' Sicht versäumt. Es sei unklar, ob der BER auf Dauer ein Zuschussgeschäft werde. Der neue Chef müsse öffentlich machen, wie es finanziell um die Flughafengesellschaft und ihre Kreditwürdigkeit bestellt ist.

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