Der 9. November als Feiertag

Meinung · Warum ist der 3. Oktober der "Tag der Deutschen Einheit"? Wäre nicht der heutige 9. November als Nationalfeiertag viel besser geeignet? Der 3. Oktober 1990, an dem die DDR der Bundesrepublik beitrat, war das Ergebnis der Verhandlungen von Politikern - zweifellos eine großartige Leistung. An diesem Tag wurde die Deutsche Einheit vollendet und ein Auftrag des Grundgesetzes erfüllt

Warum ist der 3. Oktober der "Tag der Deutschen Einheit"? Wäre nicht der heutige 9. November als Nationalfeiertag viel besser geeignet? Der 3. Oktober 1990, an dem die DDR der Bundesrepublik beitrat, war das Ergebnis der Verhandlungen von Politikern - zweifellos eine großartige Leistung. An diesem Tag wurde die Deutsche Einheit vollendet und ein Auftrag des Grundgesetzes erfüllt. So entscheidend und einschneidend dieses Datum auch ist, fehlt ihm aber die tiefe Emotionalität und große Begeisterung des Tages des Mauerfalls, der weltweit Menschen bewegt. Der 9. November 1989 war Ergebnis und Höhepunkt der friedlichen Revolution in der DDR. Er ist die unmittelbare Folge des großen Mutes von hunderttausenden DDR-Bürgern, die in einem Unrechtsstaat auf die Straße gingen und für ihre Freiheit kämpften. Auch wenn viele dabei noch nicht an eine Wiedervereinigung dachten, legten sie die Grundlage dafür. Ohne sie hätten die Politiker in den folgenden Monaten nicht handeln können. Sich dessen zu erinnern, ist mindestens ebenso wichtig, wie an diesem Tag eine Bilanz zu ziehen. Die alljährlichen Diskussionen über die Kosten der Wiedervereinigung, ihre Gewinner und Verlierer oder die Stimmungslage in Ost und West lenken von den zentralen Botschaften ab: Der 9. November ist ein deutscher Feiertag. Er zeigt, was engagierte, mutige Bürger bewegen und erreichen können. Damit ist er in einer Zeit der Politikmüdigkeit und Parteienverdrossenheit ein Symbol, das im Erinnern die Ermutigung fördert, etwas zu verändern und zu gestalten.Natürlich ist der 9. November in der deutschen Geschichte auch durch andere Ereignisse nachhaltig geprägt: Am 9. November 1918 verkündete der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann das Ende der Monarchie und rief die Republik aus. Ein Tag, dem zu Unrecht nur wenig Aufmerksamkeit zuteil wird, bedeutete er doch das Ende des Untertanenstaates. Am 9. November 1923 scheiterte der Hitler-Putsch in München. Er ist gleichermaßen Symbol für die Wehrhaftigkeit und die Zerbrechlichkeit der Demokratie. Am 9. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen. Das Erinnern an die Pogromnacht ist eine Mahnung gegen das Vergessen. Der 9. November ist somit ein freudiger, aber auch ein belasteter Tag. Er zwingt zu einer intensiven Auseinandersetzungmit der deutschen Geschichte, die allzu oft in Schule und Gesellschaft vernachlässigt wird. Kein anderer Tag liefert so viele Ansatzpunkte, die deutsche Geschichte in Zusammenhängen zu sehen und Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Die Pariser Zeitung "Le Monde" gibt sich mit Blick auf die schwierigen Vorgespräche zum Kopenhagener Klimagipfel skeptisch: Die Aussicht, dass im Dezember ein so umfassender Vertrag wie das Kyoto-Protokoll unterzeichnet wird, ist in Barcelona verschwunden
Die Pariser Zeitung "Le Monde" gibt sich mit Blick auf die schwierigen Vorgespräche zum Kopenhagener Klimagipfel skeptisch: Die Aussicht, dass im Dezember ein so umfassender Vertrag wie das Kyoto-Protokoll unterzeichnet wird, ist in Barcelona verschwunden