Den Stolz der Iraner können Sanktionen nicht brechen

Berlin. Fortschritte bei den Nukleargesprächen mit dem Iran werden mit dem Millimetermaß gemessen. So betrachtet sind die ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats und Deutschland, die "5+1"-Gruppe, nach zwei aufreibenden Tagen mit der iranischen Delegation in Kasachstan ungefähr einen halben Millimeter voran gekommen

Berlin. Fortschritte bei den Nukleargesprächen mit dem Iran werden mit dem Millimetermaß gemessen. So betrachtet sind die ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats und Deutschland, die "5+1"-Gruppe, nach zwei aufreibenden Tagen mit der iranischen Delegation in Kasachstan ungefähr einen halben Millimeter voran gekommen. Deutlicher formuliert: Die Runde ist faktisch gescheitert, alle diplomatischen Bemühungen rund um den Atomkonflikt sind ins Leere gelaufen. Zehn Jahre nach Beginn der Verhandlungen mit der islamischen Republik hat der Westen weder mit Sanktionen noch mit militärischen Drohungen auch nur das Geringste erreicht. Im Gegenteil: Das Atomprogramm, die Zahl der nuklearen Einrichtungen und die Uran-Anreicherung wurden immer mehr ausgeweitet.2013 gilt in dem Konflikt als ein entscheidendes Jahr. Wenn es nicht zur militärischen Eskalation kommen soll, muss der Westen seine Verhandlungs-Strategie ändern. Niemand kann dem Iran seine nuklearen Ambitionen austreiben, selbst ein Militärschlag nicht. Das ehrgeizige Land wird seine Ansprüche auf eine eigenständige Atom-Industrie nie aufgeben. Es dennoch zu versuchen, ist ein völlig nutzloses Unterfangen. Um einen tragfähigen Kompromiss zu finden, sollten sich die westlichen Verhandlungsführer mehr als bisher in die Lage der iranischen Führung versetzen. Sich ernsthaft bemühen, die Sichtweise der anderen Seite zu verstehen. Die Kernpunkte sind: der (National-)Stolz der Iraner und die gefühlte Bedrohung.

Aus großem Selbstbewusstsein heraus, mit einer Neigung zum Chauvinismus, bestehen die Iraner auf ihrem Recht auf Atom-Technologie. Eine Lösung der Krise kann es nur geben, wenn es gelingt, ihnen dieses Recht grundsätzlich einzuräumen - ohne dass sie damit eine Bombe bauen können. Das wird schwierig sein, aber nicht unmöglich. Der Iran fühlt sich zudem nicht sicher. Uns mag das abwegig erscheinen, schließlich stoßen iranische Politiker in schöner Regelmäßigkeit Drohungen gegen den Westen im Allgemeinen und Israel im Besonderen aus. Dennoch ist es so. Teheran sieht vor allem die USA, die in der ganzen Region Nah- und Mittelost Militärstützpunkte unterhalten, als potenziellen Angreifer. Die islamische Republik sieht sich zudem in einem feindlichen, arabisch-sunnitischem Umfeld. Das Land ist noch immer geprägt von der Erfahrung des achtjährigen Krieges mit dem Irak unter Saddam Hussein. Sicherheitsgarantien könnten in diesem Punkt weiterhelfen. Denn tatsächlich geht es um weit mehr als nur den Atomkonflikt. Es geht um das künftige Verhältnis des Westens zum Iran.

Ohne Annäherung zwischen Teheran und Washington ist ein Durchbruch nicht möglich. Vor den Präsidentschaftswahlen im Juni wird der Iran keine weitreichenden Entscheidungen fällen wollen, selbst wenn der Präsident in Fragen der nationalen Sicherheit nur begrenzt Mitsprache hat. Interessanterweise waren die aussichtsreichsten Politiker, die derzeit als Präsidentschaftskandidaten gehandelt werden, alle einmal Unterhändler bei den Atomverhandlungen. Bis zum Sommer also ist Zeit, schlaue Lösungswege und eine neue Strategie zu entwickeln. Denn wenn man Fortschritte nicht bald mit größeren Maßstäben als Millimetern messen kann, wird der Iran entweder eine Atombombe haben oder es wird Krieg geben. Beides kann niemand wollen.

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