Demonstration mit Symbolwert

Meinung · Das Ziel ist erreicht, weiter geht's. Dieses Motto, so scheint es, steht im Vordergrund, wenn sich wieder einmal reflexartig Demonstrantengruppen zusammenfinden, um den Castor-Transport mit Protesten zu begleiten. Wozu aber protestieren? Eigentlich ist die Schlacht längst geschlagen - und gewonnen

Das Ziel ist erreicht, weiter geht's. Dieses Motto, so scheint es, steht im Vordergrund, wenn sich wieder einmal reflexartig Demonstrantengruppen zusammenfinden, um den Castor-Transport mit Protesten zu begleiten. Wozu aber protestieren? Eigentlich ist die Schlacht längst geschlagen - und gewonnen.Der Ausstiegsbeschluss aus der Atomkraft ist gefallen, Deutschland will zum Vorreiter der Energiewende werden. Und das hat sogar die atomfreundliche Koalition aus CDU und FDP beschlossen. Auch über eine neue Endlagersuche wird ernsthaft diskutiert. Zugegeben, in ein Gesetz hat CDU-Umweltminister Norbert Röttgen den Willen, eine Alternative zu Gorleben zu finden, noch nicht gegossen. Doch scheint das Bemühen der Politik, das Thema Endlagersuche noch einmal auf die Agenda zu nehmen, ernsthaft.

Warum also noch immer die Proteste? Warum zu Tausenden die Gleise blockieren, Schotter schaufeln? Schon gar, wo es doch der letzte Castor-Transport dieser Art sein soll und auch kein AKW-Gegner bestreiten wird, dass Deutschland seinen Atommüll aus Frankreich zurücknehmen muss. Warum also teure Massen-Einsätze der Polizei provozieren, wo doch Deutschland sparen muss?

Am Ende sind die Proteste wohl eine Bestätigung und Erinnerung an die Politik. "Wir meinen es ernst", könnte auf den Plakaten stehen. Nur keinen Zweifel aufkommen lassen. Fukushima ist ja schon eine Weile her - und die Politik so vergesslich. Es ist quasi die Bekräftigung, dass das Erreichte erhalten bleiben muss: Der Atomausstieg muss unumkehrbar bleiben.

Doch es geht auch um die Wirkung auf die Nachbarländer. Deutschland bleibt mit seiner Entscheidung, die Atomkraftwerke abzuschalten, eine Ausnahme. Wenn der Abschied gelingt, leben wir auf einer atomfreien Insel - umgeben von Staaten, die sämtlich auf Kernenergie setzen. Doch auch in diesen Ländern regt sich Widerstand: Im Atomland Frankreich ist der Protest von bisher undenkbarer Schärfe. Die dortigen Demonstrationen, die den ersten Teil der Castor-Strecke säumen, erinnern in ihrer Heftigkeit an die Ausschreitungen in Deutschland zum Höhepunkt der Anti-AKW-Bewegung. Mit Schlagstöcken und Tränengas ist die Polizei dort vorgegangen, es gab Verletzte auf beiden Seiten. Das deutsche Beispiel macht Schule.

Wenn sich also in Deutschland Schüler in Lüchow-Dannenberg versammeln, die Initiative "Castor schottern" dazu aufruft, Steine unter dem Gleisbett zu entfernen, und sich rund 10 000 Menschen an der Strecke zum Protest versammeln, dann ist das Teil eines weltweiten Kampfes gegen das Atom, der andauert. Die Aktivisten sollten ihrem Anliegen aber nicht durch illegale Mittel schaden.

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