Demokratie braucht Demokraten

Meinung · Eine Demokratie ohne Demokraten muss scheitern. Das wissen wir seit dem Untergang der Weimarer Republik. Da ist auf den ersten Blick beruhigend, was das Forsa-Institut und die Freie Universität Berlin herausgefunden haben. Nur jeder 20. Deutsche lehnt die Demokratie als Staatsform rundweg ab

Eine Demokratie ohne Demokraten muss scheitern. Das wissen wir seit dem Untergang der Weimarer Republik. Da ist auf den ersten Blick beruhigend, was das Forsa-Institut und die Freie Universität Berlin herausgefunden haben. Nur jeder 20. Deutsche lehnt die Demokratie als Staatsform rundweg ab. 54 Prozent der 6005 Befragten über 14 Jahren sind sehr, 26 Prozent ziemlich, weitere zwölf "etwas" für die Idee der Demokratie. Bedenklich stimmt aber: Mit der Demokratie, wie sie das Grundgesetz vorsieht, sind nur drei Viertel der Bürger einverstanden. Und die Verfassungswirklichkeit findet nicht mal mehr die Zustimmung der Hälfte aller Befragten; 54 Prozent sind mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden. Diese Zahl ist eine Ohrfeige für die Politik, die diese Wirklichkeit prägt, und für die Medien, die sie darstellen. Sie kann gefährlich werden, wenn das Verzweifeln an der Praxis in Zweifel an der Verfassung oder an der Demokratie schlechthin mündet.Die Gründe für den Bürger-Frust hat Forsa nicht erfragt, doch viele werden schon lange diskutiert: Gebrochene Wahlversprechen etwa oder durchschaubare populistische Schwenks. Nicht zuletzt ermüden den Bürger undurchschaubare Entscheidungsprozesse im parlamentarischen und föderalen System, unklare Verantwortlichkeiten und der Eindruck, dass Beschlüsse viel zu lange brauchen. Die Föderalismus-Reform, die dem Bundesrat Blockade-Chancen nahm, sollte gegensteuern, blieb aber halbherzig. Zudem wird durch die Zersplitterung des Parteiensystems jede Wahl zum Pokerspiel, bei dem keiner weiß, welcher Koalition er gerade seine Stimme gibt. Den Menschen wird auch bewusst, dass vieles, was sie betrifft, nicht im Bundestag, sondern in Vorstandsetagen oder Brüsseler Kommissions-Büros entschieden wird. Der Frust darüber lässt sich an der Nichtwähler-Zahl ablesen. Die Zustimmung zur Demokratie war auch stets ein Ergebnis des ökonomischen Erfolges der Staaten, die auf diese Staatsform setzen. Doch nun schließen Länder zu uns auf, deren System nicht oder nur bedingt demokratisch ist. Reichtum geht auch ohne freie Wahlen. Daran kann die Politik nichts ändern. Sie kann aber für die Demokratie werben, in dem sie deren Wirklichkeit verbessert, den Menschen glaubhaft macht, dass sie mitentscheiden. Das erfordert weitere Schritte, die Kompetenzen im Bundesstaat so zu verteilen, dass Verantwortlichkeiten klar werden, - und mehr Raum für direkte Mitwirkung etwa in Volksabstimmungen. Die Bürger werden die Demokratie nur dann beherzt tragen, wenn sie sie als solche erfahren.

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