DSGVO besser als ihr Ruf Europas Datenschutz wird Exportschlager

Brüssel · Was hat es nicht alles für Horror-Szenarien gegeben? Mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), so hieß es etwa in Österreich, dürften die Namen der Bewohner nicht mehr auf den Klingerschildern stehen.

Unseriöse Anwälte würden eine Abmahnwelle lostreten. Vereine könnten nicht mehr Fotos von Festen im Internet zeigen. Ein Jahr nach Inkrafttreten der europaweiten Regelungen weiß man: alles falsch. Die Datenschutzgrundverordnung hat vielmehr dafür gesorgt, dass EU-weit die Verbraucher die Möglichkeit haben, wieder die bessere Kontrolle über ihre Daten zu bekommen. Sie können sich wehren, wenn sie unerwünscht mit Werbemails bombardiert werden. Und die Möglichkeiten der Behörden, dies zu ahnden, sind gestiegen. Es sieht ganz danach aus, dass die DSGVO eines dieser EU-Gesetzesvorhaben ist, auf das die Europäer richtig stolz sein können. Sie setzt sogar außerhalb der EU Standards: Der EU-Binnenmarkt ist so wichtig, dass global tätige Internetunternehmen ihre Standards ändern und dafür das EU-Recht als Richtschnur akzeptieren.

Ziel der DSGVO ist, den Menschen die Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten wieder zu geben. Zugleich soll über EU-Ländergrenzen hinweg der Austausch von Daten gewährleistet sein. Seit Inkrafttreten der Verordnung haben fast alle 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Rechtsvorschriften an das neue EU-Recht angepasst. Bei Verstößen haben die Behörden damit nun auch die Möglichkeit, länderübergreifend gegen Verstöße vorzugehen. Der zuständige Europäische Datenschutzausschuss hat bereits EU-weit mehr als 400 Fälle von Verletzungen der DSGVO registriert.Die skeptischen Deutschen glauben derweil europaweit am wenigsten daran, dass sie selbst Herr über ihre Daten sind, die sie online eingeben. Nur sechs Prozent sind davon überzeugt, dass sie die komplette Kontrolle darüber haben, im EU-Schnitt sind es immerhin 14 Prozent. Dies geht aus einer repräsentativen Eurobarometer-Umfrage hervor, die die EU-Kommission anlässlich des DSGVO-Jahrestags veröffentlicht hat. Dagegen ist in Deutschland das Bewusstsein dafür recht ausgeprägt, welche neuen Rechte Verbraucher dank der EU-weit geltenden Verordnung haben. 72 Prozent der Deutschen wissen immerhin, dass sie das Recht auf Zugang zu ihren persönlichen Daten besitzen, die Unternehmen gespeichert haben. 13 Prozent der Deutschen haben von diesem Recht auch schon Gebrauch gemacht. Im EU-Schnitt wissen davon 65 Prozent der Menschen.

Allerdings klagen Unternehmen über ausufernde Bürokratie seit der Umsetzung der neuen Datenschutzgesetze. Bei einer Umfrage des Wirtschaftsverbandes DIHK unter 4500 Unternehmen kam heraus, dass nur 60 Prozent der Betriebe der DSGVO positive Seiten abgewinnen können. 75 Prozent der Befragten sagen, dass die Umsetzung der DSGVO viel personellen und finanziellen Aufwand verursache. Die Einführung eines neuen Datenschutzmanagements sowie die Überprüfung sämtlicher Prozesse, bei denen Daten im Spiel seien, machten viel Arbeit. 75 Prozent der Unternehmen geben an, die DSGVO weitgehend oder vollständig umgesetzt zu haben.

Die EU-Kommission will bis 2020 prüfen, ob die Verordnung praxistauglich ist. Tatsächlich muss stärker Rücksicht auf die kleinen Unternehmen genommen werden. Für sie sind die neuen Anforderungen vielfach eine Überforderung, und sie sind auch nicht selten überdimensioniert für kleine Betriebsgrößen. Während große Unternehmen von den einheitlichen Standards profitieren, sieht die Bilanz der kleinen und ganz jungen Betriebe häufig schlechter aus. Hier wäre es sinnvoll, wenn bei einer Überprüfung zugunsten der kleinen Unternehmen nachgebessert würde.

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