Datenschutz auf dem Stand der technischen Steinzeit

Berlin/Saarbrücken. Der neueste Datenschutzskandal rückt nachhaltig in den Mittelpunkt, was Jahrzehnte kaum Beachtung fand. Der Schutz persönlicher, sensibler Daten in der Privatwirtschaft stand weitaus weniger im Fokus als der immer kritischer gesehene Umgang des Staates mit den Daten seiner Bürger

Berlin/Saarbrücken. Der neueste Datenschutzskandal rückt nachhaltig in den Mittelpunkt, was Jahrzehnte kaum Beachtung fand. Der Schutz persönlicher, sensibler Daten in der Privatwirtschaft stand weitaus weniger im Fokus als der immer kritischer gesehene Umgang des Staates mit den Daten seiner Bürger. Der Schwund Zehntausender von der Landesbank Berlin verarbeiteter Kreditkarten-Daten ist ein weiterer dunkler Punkt in einer Kette von Skandalen, die auch mit den Namen Lidl und Deutsche Telekom verbunden sind. Die Datenschutzgesetze sind, so wird immer deutlicher, schon längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das jetzt von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte neue Datenschutzgesetz, das den schwunghaften Datenhandel eindämmen will, wird nicht nur von Oppositionspolitikern für unzureichend gehalten. Das Bundesdatenschutzgesetz trat 1978 in Kraft. Das war technologisch gesehen in der Steinzeit. Im Zentrum stand der Umgang des Staates mit den personenbezogenen Daten seiner Bürger. Heute hinterlässt fast jeder beim Telefonieren, beim Surfen und Einkaufen im Internet, beim Einsatz von Kredit-, EC- und Kundenkarten und bei vielen anderen Aktivitäten freiwillig oder unbeabsichtigt eine breite Spur von Daten, die von privaten Unternehmen gesammelt und verarbeitet werden. Und diese Daten sind offenkundig keineswegs sicher - nicht nur, weil Kriminelle versuchen, auf krummen Wegen an Passwörter zu gelangen. Manch ein Unternehmen ist offenkundig nicht in der Lage, sensible Daten vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Millionen Datensätze wurden schon auf dem Schwarzmarkt angeboten. Doch selbst wenn die Systeme sicher wären, der rasante technologische Fortschritt, die Verknüpfung von Millionen Datensätzen rund um den Globus hat längst eine neue Qualität geschaffen. Aus Anlass des Volkszählungsurteil vor 25 Jahren fand der Präsident des Bundesverfassungsgericht, Hans-Jürgen Papier, gestern deutliche Worte: "Würden alle diese irgendwo auf der Welt über uns gespeicherten Informationen zusammengeführt, ließe sich sehr leicht ein Persönlichkeitsprofil von jedem von uns erstellen. Dadurch würde der im Volkszählungsurteil für unzulässig befundene Super-Gau des Datenschutzes Wirklichkeit werden, allerdings herbeigeführt durch die Hände Privater." In den vergangenen Jahrzehnten war es vor allem das Bundesverfassungsgericht, das den Schutz der Privatsphäre verbesserte. Karlsruhe schuf sogar neue Grundrechte wie "das Recht auf informationelle Selbstbestimmung" beim Volkszählungsurteil oder das "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" Anfang des Jahres beim Urteil zur Online-Durchsuchung. Es schränkte auch die vorsorgliche verdachtslose Speicherung von Telefon- und Internetdaten ein. Die Datenschützer beim Bund, in den Ländern und auch in vielen Unternehmen sind angesichts der gewaltigen Datenmengen, die sie kontrollieren sollen, nur unzureichend ausgestattet. Das Amt des Bundesdatenschutzbeauftragten zählt knapp 70 Mitarbeiter. In manchen Bundesländern, etwa dem Saarland, ist der Datenschutz für den nicht-staatlichen Bereich gar im Innenministerium angesiedelt, und untersteht damit der Oberhoheit des Ministers. Dies hat bereits die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die keine Gewähr für eine unabhängige Kontrolle sieht.

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