Das tiefe Misstrauen hat gesiegt

Das Nein der Hamburger hat den deutschen Sport in einen nicht für möglich gehaltenen Schockzustand versetzt. Der Verzicht auf die Bewerbung um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2024 wird weitreichende Folgen haben.

Folgen, die vor allem, aber nicht nur den Sport betreffen.

Es liegt auf der Hand, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) für eine Generation lang eine Olympia-Bewerbung nicht mal mehr im Ansatz erwägen sollte. Das Hamburger Referendum ist die zweite schallende Ohrfeige der Bevölkerung, nachdem sich zwei Jahre zuvor bereits die Münchner gegen die Bewerbung um die Winterspiele 2022 ausgesprochen hatten. Deutschland und Olympische Spiele - das passt offenbar nicht mehr zusammen. Zumal es auch schon davor mehr oder weniger kläglich gescheiterte Versuche gab - wie Berlin für 2000 oder Leipzig für 2012.

Noch im Frühjahr war die Zustimmung in Hamburg komfortabel, etwa zwei Drittel waren für die Spiele. Doch Monat für Monat schwand die Unterstützung in der Hansestadt. Der Rest der Republik kann das mehrheitlich nicht nachvollziehen und trauert nun - wie schon bei den Winterspielen in München - einer vergebenen Chance nach. Die Deutschen wollen Olympische Spiele durchaus, aber offenbar bloß nicht vor der eigenen Haustür.

Warum das so ist? Kosten von gigantischem Ausmaß, fehlende Glaubwürdigkeit in den großen Sportverbänden, Angst vor Terror, die Flüchtlingskrise - alles spielt eine Rolle. Die Funktionäre des DOSB haben in den vergangenen Tagen stets betont, dass Olympia unabhängig von diesen aktuellen Vorgängen zu betrachten sei. Doch ganz so einfach war das nicht. Die Hamburger sind nicht bereit, noch mehr Risiken einzugehen, wo sie schon jetzt nicht wissen, wie sich die alltäglichen Herausforderungen entwickeln werden. Das tiefe Misstrauen hat gesiegt. Leider.

Für die Entwicklung des Hochleistungs- und Breitensports unterhalb des Fußballs in Deutschland ist das ein schwerer Nackenschlag. Mit Olympia im Rücken wäre die Spitzensportförderung für ein Jahrzehnt nicht nur gesichert gewesen, sondern deutlich ausgebaut worden. So drohen nun Einschnitte, die kleinere Verbände deutlich spüren werden. Schon jetzt haben frühere "Medaillenbänke", etwa die Fechter, kaum genug Mittel, um international konkurrenzfähig zu bleiben.

Hamburgs fehlender Mut - auch für die eigene Stadtentwicklung - lässt nur Verlierer zurück. Und Zweifel, ob wir wirklich eine weltoffene Gesellschaft sind, wie wir sie gerne sein würden. Und so blicken wir neidvoll zu unserem Nachbarn Frankreich, der sich mit Paris bewirbt - und damit ein echtes Zeichen setzt. Eines, das Hamburg verpasst hat.

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