Das Sündenregister der Ex-Innenminster im Land

Saarbrücken · Als Martin Junkernheinrich dem Kabinett sein Gutachten zur Finanznot der Saar-Kommunen präsentierte, durften sich gleich mehrere Zuhörer angesprochen fühlen. In der Ministerrunde sitzen neben Amtsinhaber Klaus Bouillon (CDU ) nämlich noch drei Ex-Innenminister, die für die Kommunen zuständig waren, darunter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ). Ohne sie und die anderen beim Namen zu nennen, gibt Junkernheinrich ihnen in seinem Gutachten , das nun in voller Länge vorliegt, indirekt eine Mitschuld an der exorbitanten Verschuldung der Kommunen.

Teile des Papiers lesen sich gar wie ein Sündenregister der Ex-Minister. "Man hat alle Augen zugedrückt", sagt Junkernheinrich.

Konkret bemängelt er etwa, dass die hochverschuldeten Kommunen von 2003 bis 2010 keine Haushaltssanierungspläne mehr aufstellen mussten. "Folglich erhöhten sich die Kredite zur Liquiditätssicherung in diesem Zeitraum von 790 auf 1626 Euro je Einwohner im Saarland", so Junkernheinrich. Es ist nicht der einzige Fehler, den Junkernheinrich in jenen Jahren sieht, in denen das Innenressort von Kramp-Karrenbauer (2001-2007) und dem heutigen CDU-Fraktionschef Klaus Meiser (1999-2001 und 2007-2009) geführt wurde. Der Gutachter bemängelt beispielsweise, dass sich Kommunen neue Kassenkredite ab einer bestimmten Höhe seit 2007 nicht mehr genehmigen lassen müssen. Auch repressive Mittel habe die Kommunalaufsicht bei den Haushalten nicht eingesetzt. Generell sieht Junkernheinrich die Kommunalaufsicht durch ihre Zugehörigkeit zur Landesverwaltung in einem Zielkonflikt, "denn die Landesebene ist ein Mitverursacher der kommunalen Haushaltslage und erhebt sich insofern zum Kontrolleur des eigenen Verhaltens".

Versäumnisse beklagt Junkernheinrich auch bei der Kontrolle durch das Land, ob die Kommunen sparsam mit ihrem Geld umgehen. Dies ist Aufgabe der "überörtlichen Prüfung", die (wie die Kommunalaufsicht) zum Landesverwaltungsamt in St. Ingbert gehört und nach Junkernheinrichs Ansicht eigentlich Teil des Rechnungshofs sein müsste. Seit 2008 können die Prüfer kommunales Handeln nur noch auf Recht und Ordnungsmäßigkeit hin kontrollieren, aber nicht mehr auf Wirtschaftlichkeit - es sei denn, eine Kommune will dies. Passiert ist das seither jedoch noch nie. Seit 2002 sind auch keine Jahresberichte der Prüfer mehr veröffentlicht worden.

Für mehr Kontrollen hätte ohnehin das Personal gefehlt: Gab es in den 90er Jahren noch 20 Prüfer, so war es bis Ende 2014 gerade noch einer - und der ist inzwischen im Ruhestand. Wegen des Personalmangels wurde 2005/06 die Bauprüfung eingestellt, 2007 die Sozialprüfung - "obwohl beide Bereiche die höchsten finanziellen Schäden in den Kommunen verursachen können", wie der Gutachter schreibt. Nicht jede eingesparte Stelle sei auf Dauer sinnvoll eingespart, sagt Junkernheinrich. Minister Bouillon hat nun eine Aufstockung zugesagt.

Das fehlende Personal wurde auch nicht ersetzt durch Aufträge an externe Wirtschaftsprüfer : Dieses Budget beträgt seit 2010 exakt: null Euro. In professorale Worte gehüllt, fällt Junkernheinrich ein knallhartes Urteil: "Existenz und Funktionsfähigkeit" der Gemeindeprüfung durch das Land könnten "aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit, unzureichender Prüfungsbefugnisse und einer unzureichenden Personalisierung verneint werden".

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